Im Oktober 2024 besuchte FIAN die Gemeinden im Distrikt Mumbwa, in Sambia, für deren Rechte auf Land, Nahrung und Wasser sich FIAN bereits seit 2015 einsetzt. Der Anlass dafür waren besorgniserregende Entwicklungen im Fall Amatheon: Anrufe und Videos, die FIAN von Familien aus Mumbwa im August nachts zugespielt worden waren, ließen eine gewaltsame Vertreibung der Menschen – vermutlich für die geplante Expansion von Amatheon – erahnen. FIAN machte sich vor Ort nun selbst ein Bild von den Ereignissen sowie von dem Konflikt um Wasser, der schon länger besteht.
Der Berliner Agrarinvestor Amatheon hat über seine Tochterfirma Amatheon Agri Zambia Ltd. im Jahr 2012 mehr als 30.000 Hektar Land im Distrikt Mumbwa, etwa 200 Kilometer westlich der Hauptstadt für 99 Jahre gepachtet. In den Monokulturen werden vor allem Soja und Mais angebaut. Inzwischen wurde die Fläche auf etwa 40.000 Hektar – fast die Größe des Bodensees – erweitert und ist damit die größte deutsche Agrarinvestition in Afrika.
Die Regierung Sambias versprach sich damals von der Investition eine Erhöhung der Ernährungssicherung in Sambia. Denn etwa ein Drittel Bevölkerung ist unterernährt, insbesondere Kleinbäuer*innen – obwohl sie 90% der sambischen Bevölkerung ernähren. Amatheon produziert jedoch hauptsächlich für die städtische Mittelschicht Sambias, sowie für den Export.
Zudem schwelen seit vielen Jahren Konflikte um Land und Wasser mit der lokalen Bevölkerung, die aktuell völlig eskalieren. Familien wurden zwangsumgesiedelt und zehn Jahre später warten sie immer noch auf einen versprochenen Landtitel. Andere wurden bedroht, ihren Hof aufzugeben und ihr Land zu verlassen. Der Zugang zum lokalen Fluss Kapwashe, die Lebensader der Gegend, wird vom Investor immer wieder unterbunden. Für viele Betroffene hatte sich die Ernährungssituation deutlich verschlechtert.
Neue gewaltsame Vertreibungen: Verletzung ihres Rechts auf Wohnen und Nahrung
Vor kurzem eskalierten die Konflikte erneut: Im Juli 2024 erhielten zahlreiche Familien im Distrikt Mumbwa von Anwälten von Amatheon schriftlich die Aufforderung, ihr Land innerhalb weniger Tage zu verlassen. Lokale Quellen sprechen von bis zu 11.000 Menschen und 19 Dörfer, die betroffen sein. Um gewaltsame Vertreibungen zu verhindern, hatten die lokalen Autoritäten eine Unterlassungsklage gegen Amatheon eingereicht. Durch die daraufhin vom Gericht erlassene Einstweilige Verfügung wurde Amatheon das Betreten des Landes verboten.
Kurze Zeit später wurde die Verfügung jedoch zurückgezogen – nachdem sich Amatheon mit dem lokalen Chief getroffen hatte.
In der darauffolgenden Nacht vom 21. auf den 22. August erhielt FIAN Anrufe und Videoclips, die nahelegten, dass sie vertrieben und ihre Häuser angezündet worden waren.
Betroffene berichten, dass sie durch die Zerstörung ihrer Häuser ihr ganzes Hab und Gut – Nahrungsmittel, Werkzeuge, Geld und Decken verloren haben. Ester ist eine von ihnen. Sie ist alleinerziehende Mutter von sechs Kindern und muss jetzt jeden Tag um Essen für sich und ihre Kinder betteln.
Leben in ständiger Angst
Für das Dorf Apex war dies bereits die dritte Vertreibung innerhalb eines Jahres. FIAN besuchte das Dorf im Oktober. Die Angst vor erneuter Gewalt und Vertreibung durch Amatheon saß ihnen tief in den Knochen. So versteckte sich eine Frau, als sie FIAN mit dem Auto ankommen sah, im Wald, bis sie sich in Sicherheit wähnte. Sie erzählte, dass ihre Familie oft im Busch schlafe, aus Angst, dass sich die nächtliche Vertreibung wiederholte. Dieselbe Sorge veranlasste sie auch dazu, ihre Kinder nicht mehr zur Schule zu schicken:
„Wenn unsere Kinder zurückkommen und wir nicht mehr da sind, gehen sie verloren.“
Es ist wahrscheinlich, dass die Vertreibungen in Zusammenhang mit den nur einige Wochen vorher angekündigten Expansionsplänen von Amatheon stehen: So kündigte Amatheon im Juni eine Investition von weiteren 50 Mio. USD. in Sambia an.
Wasserknappheit und Hunger durch „Watergrabbing“
Seit längerem besteht mit Amatheon auch ein Konflikt um den Zugang zu Wasser. Wasser ist laut Länderkoordinator Vladimir Chilinya von FIAN Sambia essenziell für die Gewährleistung des Rechts auf Nahrung der Landbevölkerung. Im Jahr 2015 begann Amatheon mit dem Bau zweier Staudämme am Kapwashe-Fluss, um die Soja- und Maisplantagen zu bewässern.
Uns berichten Familien flussabwärts, dass sie seit 2019, also seitdem die Dämme in Betrieb sind, über viele Monate kein Wasser mehr im Fluss haben. Dadurch fehlt bis zu 200 Haushalten flussabwärts gerade in der Trockenzeit Wasser. Ein Bauer beklagt:
„Früher war der Fluss nur wenige Tage im Oktober ohne Wasser. Jetzt ist er sechs bis sieben Monate im Jahr trocken.“
Als Folge können die Bewohner*innen ihre Gemüsegärten, die eine wichtige Nahrungs- und Einkommensquelle darstellen, nicht mehr bewässern. Außerdem war der Fluss eine wichtige kommunale Wasserstelle für das Tränken von Vieh (Minuten 21-25) und den Fischfang.
Als Folge der Wasserknappheit sahen sich die Bäuer*innen dazu gezwungen, ihren Viehbestand zu reduzieren und den Gemüseanbau einzustellen. Laston Mwinga, der seit 2005 südlich von Chembe lebt, macht die drastischen Folgen, die dies für die Ernährung der Menschen hat, deutlich:
„Die Leute verkaufen Vieh, verkaufen Ziegen, manche verkaufen sogar Land, nur um Lebensmittel zu kaufen.“
Einige wie Oidy Chongoo, Bäuerin aus Chembe, nehmen wegen fehlendem Einkommen sogar ihre Kinder aus der Schule.
Mit Unterstützung von FIAN wollten die Gemeinden mit Amatheon sprechen, um eine Regelung für das Tränken der Tiere zu finden. Doch Amatheon sagte 2022 die Teilnahme an dem Treffen ab.
Exorbitante Gebühren bei der Beschlagnahmung von Vieh
Die Situation der Menschen wird dadurch verschärft, dass Amatheon Rinder und Ziegen beschlagnahmt, die sich auf dessen Gebiet verirrt haben – meist auf der Suche nach Wasserstellen.
Denn Amatheon hat sein Gebiet nicht eingezäunt. Die Bäuer*innen müssen pro Tier dann 500 Kwacha – etwa 17 Euro – zahlen (Minuten 21-25), um es auszulösen. Ein von FIAN beauftragtes Rechtsgutachten hat ergeben, dass Amatheon mit dieser Praktik gegen sambisches Recht verstößt. Denn die laut Gesetz erlaubten Beträge für das Überschreiten von Grenzen durch Tiere sind um ein Vielfaches geringer. Die hohe Summe führt bei wiederholter Konfiszierung bzw. vielen Tieren zur systematischen Verarmung und Hunger der Gemeinden.
Unterstützung der Betroffenen durch FIAN: Mut und Hoffnung
Trotz allem betont Laston Mwinga:
„Wir hassen Amatheon nicht. Wir wollen nur unseren Frieden.“
Seit langem unterstützt FIAN die Betroffenen dabei, mit Amatheon und den lokalen Behörden eine Lösung des Konfliktes zu finden. Doch Amatheon blieb Treffen, die FIAN organisierte, fern. Auch als im Juni 2024 eine Delegation von Betroffenen Berlin besuchte, um mit dem Investor zu sprechen, lehnte dieser ab.
Beim Besuch im Oktober 2024 hatte FIAN zu einer Gemeindeversammlung Rechtsanwälte aus Lusaka eingeladen, um den Betroffenen die Rechtslage zu verschiedenen Konflikten mit Amatheon zu erklären. Nicht nur konnten dadurch viele ihrer Fragen geklärt werden. Sie erteilten den Anwälten auch das Mandat, für sie aktiv zu werden. Dadurch schöpfen sie neuen Mut.
Es gibt derzeit Hoffnung, dass sich die Situation der Menschen bald verbessern könnte: Durch die Arbeit von FIAN ist die Zentralregierung auf die Probleme in Mumbwa aufmerksam geworden. So kündigte im September 2024 ein Ministeriumssprecher öffentlich an, dass die Regierung die gegen Amatheon erhobenen Vorwürfe gründlich untersuchen und aufklären möchte.
FIAN setzt sich parallel dafür ein, dass die deutsche Botschaft in Sambia den Beschuldigungen an Amatheon nachgeht. Denn Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen im Ausland durch Unternehmen zu verhindern, die in ihrem Hoheitsgebiet und/oder unter ihrer Gerichtsbarkeit ansässig sind“ (Rechtskommentar 24 UN-Sozialausschuss zu Tätigkeiten von Unternehmen). Die Botschaft hatte bisher erklärt, aus Mangel an Kapazitäten, keine Gespräche mit den Betroffenen vor Ort zu führen. Gleichzeitig hat sie sich jedoch in der Vergangenheit bereits vielfach mit Amatheon getroffen.
Großinvestitionen wie die von Amatheon sind kein Instrument zur Hungerbekämpfung. FIAN fordert stattdessen, dass die Rechte der Landbevölkerung wie in der UN-Erklärung zu den Rechte von Kleinbäuer*innen aus 2018 in den Mittelpunkt gestellt werden, um ihre Ernährung zu garantieren.
Auch Sie können Teil unseres Kampfes für die Rechte der Landbevölkerung Sambias werden. Mit Ihrer Spende können wir uns für den Zugang der Menschen zu Land, Wasser und Nahrung einsetzen.
So stärken Sie das Recht auf Nahrung weiter:
• Mit Ihrer Spende
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• Mit einer Mitgliedschaft bei FIAN
• Mit ihrer Unterstützung der Eilaktion gegen Amatheon