Die Kambodschanische Regierung muss handeln,
um Menschenrechtsverletzungen im Mikrofinanzsektor
zu beenden
Die kambodschanische Regierung muss endlich Maßnahmen ergreifen, um gegen aggressive Kreditvergabe und unlautere Eintreibungspraktiken im Mikrofinanzsektor des Landes vorzugehen. Das fordern die Menschenrechtsorganisationen LICADHO, Equitable Cambodia, Sahmakum Teang Tnaut und FIAN Deutschland in einer offiziellen Eingabe zur regelmäßigen Staatenüberprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat (Universal Periodic Review, UPR).
Nach Meinung der Organisationen ist es dringend notwendig, die seit langem bestehenden und weithin bekannten Missstände im Mikrofinanzsektor anzugehen. 30 Empfehlungen aus dem vorherigen UPR-Zyklus von 2019 hierzu waren nicht beachtet worden. Dies führte dazu, dass der Mikrokreditsektor Kambodschas in den letzten Jahren weiter massiv gewachsen ist: Die durchschnittliche Kredithöhe ist auf über 5.000 US-Dollar gestiegen – das höchste Niveau weltweit. Im ganzen Land kam es in beträchtlicher Zahl zu erzwungenen, schuldengetriebenen Landverkäufen.
Die UPR-Eingabe folgt auf jahrelange und kontinuierliche Untersuchungen der Probleme von Kreditnehmer*innen. Sie beinhaltet zahlreiche Belege, wie sich die weit verbreitete Überschuldung auf die Rechte auf Bildung, Gesundheit, Nahrung, angemessenen Lebensstandard sowie die Rechte indigener Völker negativ ausgewirkt hat.
Der UN-Generalsekretär hat im September 2021 vor Landverlusten in Kambodscha aufgrund der hohen Kredite und der Besicherung der Kredite mit Landtiteln gewarnt. Auch der UN-Sozialausschuss (CESCR) äußerte im März 2023 seine Besorgnis darüber, dass Mikrokredite das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard negativ beeinflussen. Drei quantitative Studien, die in den letzten zwei Jahren durchgeführt wurden, belegen, dass etwa sechs Prozent der Kreditnehmer*innen ihr Land verkauft haben, um Mikrokredite und Zinsen zurückzuzahlen. Die Ergebnisse einer Studie deuten darauf hin, dass zwischen 2017 und 2022 167.000 Kambodschaner*innen ihr Land verkaufen mussten, um Mikrokredite zurückzuzahlen.
Der UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte in Kambodscha forderte 2022 und 2023 in seinen Berichten einen Schuldenerlass sowie direkte staatliche Maßnahmen zur Regulierung der Finanzpraktiken und Überwachung der Kreditgeber. Nur so könnten die Notlagen durch Landverlust und die Zunahme der Armut durch Mikrofinanzschulden gestoppt werden. Eine Umfrage von 2022 hat ergeben, dass über drei Prozent der Kinder in den befragten Haushalten die Schule wegen Mikrokreditschulden abbrechen mussten. Und über vier Prozent der Kinder – darunter Kinder von 10 Jahren – mussten arbeiten, um bei der Rückzahlung von Mikrokrediten zu helfen. In einer repräsentativen Umfrage gaben 18,3 Prozent der verschuldeten Haushalte an, dass sie nach der Aufnahme ihres Kredits weniger Nahrung zu sich nahmen; und 8,5 % gaben an, nicht genug Nahrung für ihre Familie zu haben.
Die kambodschanische Regierung hat bis heute keine nennenswerten Reformen zur Regulierung des Sektors eingeleitet. Wir fordern alle relevanten Akteure auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Missständen ein Ende zu setzen. Wir fordern die UN-Mitgliedsstaaten auf, Kambodscha während der 46. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats am 8. Mai in Genf zu seiner Bilanz beim Schutz von Mikrokreditnehmer*innen zu befragen.
Wir fordern die UN-Mitgliedsstaaten auf, der kambodschanischen Regierung folgende Empfehlungen zu unterbreiten:
- Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie der Rechte von Indigenen. Verbot der Verwendung von Landtiteln als Sicherheit für Mikrokredite, insbesondere für die ärmsten und indigenen Kreditnehmer*innen. Rückgabe aller Landtitel, die derzeit als Sicherheit für Mikrokredite gehalten werden.
- Förderung des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard. Schuldenerlasse für überschuldete Familien, mit Priorität für Indigene und sehr arme Haushalte.
- Fortschritte bei der Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit, des Rechts auf Nahrung und des Rechts auf Bildung. Konkrete Schritte zur Einführung einer kostenlosen Gesundheitsversorgung und einer kostenlosen Grund- und Sekundarschulbildung für alle Kambodschaner, um die durch diese Kosten verursachte Verschuldung abzubauen.
Für weitere Informationen
- Naly Pilorge, Outreach Direktorin von LICADHO, auf Signal unter +855 12 21 4454, E-Mail: advocacy@licadho-cambodia.org (Englisch).
- Mathias Pfeifer, Südostasien Referent bei FIAN Deutschland, auf Signal unter +49 176 5411 3988, E-Mail: m.pfeifer@fian.de (Englisch und Deutsch).
- Vuthy Eang, Geschäftsführer von Equitable Cambodia, auf Signal unter +855 12 791 700 (Englisch und Khmer).
- Saran Soeung, Geschäftsführer von Sahmakum Teang Tnaut (STT), auf Signal unter +855 89 666 013, E-Mail: Director@teangtnaut.org (Englisch und Khmer).
Die UPR-Eingabe von FIAN Deutschland, LICADHO, Equitable Cambodia und Sahmakum Teang Tnaut kann hier heruntergeladen werden.