Hunderttausende kambodschanische Familien befinden sich aufgrund von Mikrokrediten in Überschuldung. Um die Schulden zu tilgen, sind sie gezwungen, ihr Land zu verkaufen, weniger zu essen oder ihre Kinder aus der Schule zu nehmen. Diese gravierenden menschenrechtlichen Auswirkungen sind die unmittelbare Folge der Praktiken von Mikrofinanzinstituten (MFI) und Banken sowie ihrer Investoren, die gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Die Ergebnisse der quantitativen Studie „Debt Threats – A Quantitative Study of Microloan Borrowers in Cambodia’s Kampong Speu Province“ vom August 2023, deren Ergebnisse in diesem Factsheet zusammengefasst sind, belegen, dass es sich bei diesen Verstößen nicht um Einzelfälle, sondern um die Symptome eines strukturellen Problems handelt. Auch deutsche Geldgeber sind direkt oder indirekt an den Menschenrechtsverletzungen beteiligt.
Die kambodschanischen Menschenrechtsorganisationen LICADHO (Kambodschanische Liga zur Förderung und Verteidigung der Menschenrechte) und Equitable Cambodia haben seit 2019 bereits mehrere detaillierte Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Kambodschas hochprofitablem Mikrofinanzsektor veröffentlicht. Dazu gehören schuldengetriebene Landverkäufe, Hunger, Kinderarbeit und Migration.
Seit Jahren nutzen kambodschanische Mikrofinanzinstitute (MFI)/Banken und internationale Investoren jedoch das Argument, es handele sich um qualitative und damit statistisch nicht-repräsentative Daten, als Vorwand, um ihre Praktiken nicht grundlegend ändern zu müssen und somit die Überschuldung und Menschenrechtsverletzungen nicht zu adressieren – und das trotz der Behauptungen internationaler Investoren, auch nur ein Verstoß gegen die Menschenrechts- und Verhaltensstandards sei bereits einer zu viel.
Um diese Pauschalaussage zu entkräften, haben die beiden Organisationen im August diesen Jahres eine quantitative, statistisch repräsentative Studie für die Provinz Kampong Speu veröffentlicht.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie auf einen Blick
• 2022 betrug die durchschnittliche Kreditgröße in Kampong Speu 9.073 US-Dollar; über ein Viertel der Haushalte verwendet mehr als 70 % des monatlichen Einkommens für die Schuldentilgung (Anzeichen für Überschuldung); • 92 % der Haushalte haben mindestens einen Kredit mit Land besichert und 6 % der Haushalte mussten bereits Land verkaufen, um ihre Mikrokredite zu bedienen, hochgerechnet auf die Provinz Kampong Speu sind das mehr als 9.600 Haushalte; • 18 % der Haushalte, hochgerechnet mehr als 28.800, essen weniger, nachdem sie einen formellen Kredit aufgenommen haben; • in 3 % der Haushalte mussten Kinder die Schule aufgrund von Mikro-/Kleinkreditüberschuldung abbrechen, hochgerechnet mehr als 8.900 Kinder in der Provinz. |
In die ermittelten Menschenrechtsverletzungen sind auch deutsche Akteure verwickelt. Dazu gehören die DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft) mit direkten Investitionen sowie indirekt das BMZ (Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) über Investitionen in Mikrofinanzfonds. Dazu kommen ethische Investoren, die Geld von deutschen Anleger*innen investieren. Darunter Invest in Visions, Oikocredit und Vision Microfinance/Impact Asset Management.