Bei diesem Artikel handelt es sich um die ungekürzte Fassung des bereits im FoodFirst 4/2023 erschienenen Beitrags. Die ungekürzte Version beinhaltet viele weitere spannende Aspekte, die aus Platzgründen nicht im FoodFirst untergebracht werden konnten.
Debt for Climate setzt sich für die Streichung von Staatsschulden der Länder im Globalen Süden ein. Zudem fordern sie vom Globalen Norden, ihre Klimaschulden an die Länder des Globalen Südens zu begleichen. Esteban Servat aus Argentinien und Louise Wagner aus Deutschland sind zwei Führungspersonen der Bewegung. Im Interview sprechen sie über die Zusammenhänge zwischen Schulden, Klimawandel und Hunger.
Was haben Schulden mit dem Klimawandel zu tun?
Esteban: Menschen wie ich, die aus dem Globalen Süden kommen, erleben Jahrzehnt um Jahrzehnt, wie unsere Länder unsere natürlichen Ressourcen plündern, weil die Staatsschulden sie dazu zwingen. Es werden ganze Landstriche geopfert, aus denen Öl, Gas und viele andere Rohstoffe in den Globalen Norden exportiert werden. Der finanzielle Würgegriff ist ein Werkzeug, durch das die ehemaligen Kolonialmächte der G7-Staaten über die von ihnen dominierten Finanzinstitutionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank die alten kolonialen Beziehungen aufrechterhalten.
Louise: Staatsschulden befördern diese neokolonialen Strukturen, da die Länder des Globalen Südens die Schulden gegenüber ausländischen Gläubigern haben und es ihnen nicht erlaubt wird, die Schulden in ihrer eigenen Währung zurückzuzahlen. So müssen sie ihre Ressourcen abbauen und sie auf dem Weltmarkt für US-Dollar oder eine andere hegemonische Währung verkaufen. Erst mit diesen Devisen können sie ihre Schulden abbezahlen. Dazu kommen viele Fälle, in denen Länder über die Gesamtsumme der gezahlten Zinsen bereits mehr als die eigentliche Schuldensumme bezahlt haben und trotzdem weiterhin dazu gezwungen werden, ihren Schuldendienst zu tätigen.
In euren Stellungnahmen betont ihr oft die wichtige Rolle der Arbeiter*innen. Warum sind diese so zentral für eure Bewegung?
E: Die Klimabewegung in Europa ist derzeit sehr jung und sehr gutmeinend, aber auch sehr bürgerlich. Sie wird dafür kritisiert, sehr weiß und von der Arbeiter*innenklasse abgekoppelt zu sein. Klimaaktivist*innen werden von Arbeiter*innen angefeindet, weil sie Straßen blockieren und sie daran hindern, zur Arbeit zu kommen. Populistische Politiker*innen benutzen diese Kluft, um diese Frustrationen weiter zu schüren und eine Situation zu schaffen, die zu einer unumkehrbaren Feindschaft führt.
Was wir tun müssen, ist einen Schritt zurück zu gehen und zu schauen, wer im letzten Jahrhundert verbesserte soziale Gerechtigkeit und den sozialen Wandel in der Gesellschaft erkämpft hat. Die meisten unserer sozialen Rechte, die wir heute genießen, sind das Ergebnis der Kämpfe der Arbeiter*innenklasse: Menschen, die sich organisiert und mobilisiert haben, um Widerstand gegen fast jede Art von Unterdrückung und Diktatur zu leisten. In vielen Ländern existieren die Diktaturen noch immer und die Menschen dort kämpfen weiter für ihre Rechte.
Wir müssen daher verstehen, dass die Klimabewegung und Klimaakteur*innen, die wir heute in Europa sehen, nicht die einzigen Akteur*innen des Wandels sein werden. Deren Arbeit anzuerkennen ist wichtig, aber es ist auch wichtig zu erkennen, dass früher oder später der Kampf auf die Arbeiter*innen übergehen muss. Die Frage ist nur, ob es nicht schon zu spät sein wird – wenn es kein Wasser, keine Lebensmittel und keine Arbeitsplätze mehr gibt.
Entscheidend wird daher sein, ob wir es schaffen, diesen Übergang zu beschleunigen und Arbeiter*innen erfolgreich ihre eigene Betroffenheit von der Klimakrise zu vermitteln. Damit sie Klimaaktivst*innen nicht mehr als ihre Gegner*innen erleben, sondern als das Gegenteil. Dazu gehört auch, ihnen näher zu bringen, dass sie nicht das Ziel von Klimaschutzmaßnahmen sind, die sie aus eigener Tasche bezahlen müssen und dass wir zusammenarbeiten müssen, um die wahren Verursacher der Klimakrise zu bekämpfen: Die reichsten 1% und die Eliten des Weltwirtschaftsforums, die doppelt so viele Emissionen ausgestoßen haben wie 50% der Weltgemeinschaft zusammen.
Uns ist es daher wichtig, besonders auf die Bedürfnisse der Arbeiter*innen zu achten und mit Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. Besonders im Globalen Süden haben diese ein viel tieferes Verständnis für die Schuldenlast als für die Klimakrise, da sie selbst mit sehr dringenden und konkreten daraus resultierenden Problemen zu kämpfen haben: Die Gefährdung ihrer Fähigkeit, ihre Familien zu ernähren, die Folgen der Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitssystems und so weiter.
Wir sehen unsere Bewegung also als eine Plattform und ein Mittel um den Prozess zu beschleunigen, dass Arbeiter*innen den Kampf für das Klima aufnehmen – bevor es zu spät ist.
Wie wirkt sich die Staatsverschuldung auf die Ernährungssituation und das Leben der ländlichen Bevölkerung aus? Sind Kleinbäuer*innen auch Teil eurer Bewegung?
L: Ja. Zum Beispiel arbeiten wir mit Kleinbäuer*innen und Fischer*innen aus dem Senegal zusammen, die massiv von den Politiken der Weltbank und des IWF betroffen sind. Das Land ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Schulden ein Haupttreiber für die anhaltende Förderung fossiler Brennstoffe sind. Die Weltbank und der IWF drängen Senegal dazu, Öl und Gas zu fördern, um mit den eingespielten Devisen ihre Schulden abzubezahlen. Im Zuge dessen werden Kleinbäuer*innen von ihrem Land vertrieben. Fischer*innen verlieren ihre Lebensgrundlage aufgrund von Offshore-Bohrungen.
Debt for Climate versucht daher aufzuzeigen, dass es tatsächlich globale politische Entscheidungsträger*innen sind, die diese extraktivistischen Programme vorantreiben. Gleichzeitig besteht unsere Arbeit darin, Kleinbäuer*innen gegen das Schuldendiktat und für Schuldenstreichungen zu mobilisieren und organisieren. Denn diese sind besonders von den Folgen des Klimawandels und dem schuldengetriebenen Landraub betroffen. Überhaupt sind die Staatsverschuldung und der damit zusammenhängende Zwang, Dollars zu generieren, die treibende Kraft für die kontinuierliche Verdrängung der kleinbäuerlichen und vielfältigen Landwirtschaft zugunsten des monokulturellen Agri-Business und globaler Agrarlieferketten.
Könnten Länder nicht einfach aufhören, ihre Schulden zu bezahlen?
E: Sie könnten es. Aber niemand will enden wie Thomas Sankara, der als Präsident von Burkina Faso zu einer gemeinsamen Front gegen Staatsschulden aufgerufen hatte und dafür umgebracht wurde. Wegen solchen Einschüchterungstaktiken, sind selbst radikalere Akteur*innen wie Kolumbiens Präsident Gustavo Petro, der gegen diese Staatsschulden kämpft, vorsichtig: Er spricht daher nur von einem Debt for Climate Swap, d.h. von einer Schuldenumwandlung, statt von einer Schuldenstreichung – das wonach er meiner Meinung nach wahrscheinlich wirklich fordert.
Ich denke, es ist unsere Aufgabe als soziale Bewegung, das Spektrum der Möglichkeiten zu erweitern, öffentlichen Konsens aufzubauen und auf internationaler Ebene den Druck zu erhöhen, so dass mehr Länder in Erwägung ziehen können, ihren Schuldendienst zu unterlassen. Aber es muss eine gemeinsam koordinierte Zahlungsunterlassung sein. Du kennst das Sprichwort: „Wenn Du der Bank eine Million schuldest, steckst Du in Schwierigkeiten. Aber wenn Du der Bank 100 Millionen schuldest, steckt die Bank in Schwierigkeiten“. Das heißt, wenn du das einzige Land bist, das sich weigert, seine Schulden zurückzuzahlen, dann bist du verloren. Du fällst aus dem System heraus und hast keinen Zugang mehr zu finanziellen Mitteln. Aber wenn sich viele Länder zusammentun, dann bringt es das ganze System ins Wanken.
Was ist der Unterschied zwischen einer Schuldenstreichung und Debt for Climate Swaps?
L: Bei einer Schuldenumwandlung geht es nicht um die Streichung von Schulden, sondern darum, dass das Schuldnerland das geschuldete Geld in sogenannte grüne Fonds oder Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsprojekte investiert, anstatt es an seinen Gläubiger zurückzuzahlen. Das Problem ist, dass die Deutungs- und Definitionsmacht von Entwicklung und Nachhaltigkeit im Globalen Norden liegt – also in den Händen der Kreditgeber. Häufig haben diese ein neo-koloniales Verständnis von Natur und Nachhaltigkeit. Hiernach muss der Mensch aus der Natur entfernt werden, um diese zu schützen und das wirtschaftliche Potenzial des frei gewordenen Landes zu entfesseln. Daraus folgen massive Menschenrechtsverletzungen, da Menschen enteignet und von ihren Ländern vertrieben werden. Das betrifft insbesondere Indigene Menschen. Paradox, denn mit ihrer Lebensweise sind genau diese die besten Umwelt- und Klimaschützer*innen.
Mit einem solchen Verständnis von Entschuldung stimmen wir nicht überein, weil es grundsätzlich den Schuldenberg im Globalen Süden legitimiert, anstatt kritisch zu hinterfragen, wer eigentlich wem etwas schuldet. Unser Standpunkt ist hier ganz klar: Der Globale Norden ist dem Globalen Süden etwas schuldig und nicht andersherum. Aus diesem Grund ist die Schuldenumwandlung, die den Status Quo durch Greenwashing reproduziert und schützt, für uns grundsätzlich kolonial und inakzeptabel.
Was wir fordern, ist eine echte Schuldenstreichung. Der Globale Norden trägt dem Globalen Süden gegenüber eine riesige Klima- und Kolonialschuld. Es ist daher völlig absurd, vom Globalen Süden Schulden einzufordern. Wir fordern die Streichung der Schulden, damit verschuldete Länder selbst bestimmen können, wie sie wirtschaften und leben wollen.
Welche Rolle spielt Deutschland bei all dem?
L: Deutschland ist die viertgrößte Stimmmacht sowohl innerhalb des IWF als auch der Weltbank, zwei der größten Gläubiger weltweit. Deutschland hat also eine sehr mächtige Position in der globalen Wirtschaftsordnung.
Und im Koalitionsvertrag stehen zwei entscheidende Punkte: erstens, die Anerkennung der Dringlichkeit der Schuldenkrise. Und zweitens, die Notwendigkeit, sich mit der eigenen Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen. Dabei ignoriert die Bundesregierung jedoch vollkommen die Fortführung (neo)kolonialer Machtbeziehungen durch ihre Rolle in den genannten Finanzinstituten. Denn anstatt die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte ernsthaft anzugehen und sich für die Entschuldung der Staaten des Globalen Südens einzusetzen, stellt sie immer wieder nur China als Sündenbock hin und entzieht sich ihrer eigenen Verantwortung.
Wie geht ihr als Bewegung gegen diese Probleme vor? Wie sehen eure Aktionen aus?
L: Zum Beispiel waren wir im August 2022 beim Tag der offenen Tür des Finanzministeriums und konfrontierten Christian Lindner. Wir fragten ihn, ob er die Entschuldung des Globalen Südens beim Jahrestreffen des IWF und der Weltbank in Washington fordern würde. Vor unserer laufenden Kamera sagte er einfach: ja. Natürlich hat er das dann in Washington nicht gemacht. Also fragten wir ihn bei seiner Wiederkehr, warum er sein Versprechen nicht eingelöst habe. Er versuchte, unseren Protest zu delegitimieren, indem er fälschlicherweise sagte, er tue ja schon, was wir von ihm fordern. Anscheinend hatten wir aber einen Nerv bei ihm getroffen. Denn mit seinem persönlichen Twitter-Account hat er unsere Aktion geteilt und uns auf diese Weise eine viel größere Sichtbarkeit verschafft. Als nächsten Schritt luden wir ihn ein, um ihm die Chance zu geben, sich gegenüber unseren Mitstreiter*innen aus dem Globalen Süden zu erklären. Natürlich kam er nicht.
Also organisierten wir am 27. Februar diesen Jahres, dem 70. Jahrestag des Schuldenerlasses gegenüber Deutschland 1953, einen globalen Protest. In Deutschland und vor deutschen Botschaften in 25 Ländern starteten wir Aktionen mit einer gemeinsamen Forderung an die Bundesrepublik: die Streichung der Schulden der Staaten des Globalen Südens, welche es dem hoch verschuldeten Nachkriegsdeutschland einst ermöglichten, aus der Schuldenfalle zu kommen und das sogenannte Wirtschaftswunder in Gang zu setzen.
Wie sah dieser Schuldenschnitt aus?
L: Damals erhielt Deutschland, unter anderem aufgrund der Zustimmung von heute hoch verschuldeten Ländern wie Argentinien, Pakistan, Sri Lanka und Südafrika, einen Erlass von über 50 Prozent der Staatsschulden. Der Erlass galt Krediten aus der Zeit vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Dazu kommt, dass Deutschland seine Schulden in der eigenen Währung zurückzahlen durfte und nie mehr Schulden zahlen musste, als dass es seiner eigenen Wirtschaft geschadet hätte. Keinem der Länder aus dem Globalen Süden wurden solche Konditionen je gewährt. Was auch nicht unerwähnt bleiben darf: Der Verhandlungsführer damals war Hermann Josef Abs, einer der einflussreichsten Banker Nazi-Deutschlands. Unsere Frage ist: Wenn das damals sogar für das Land möglich war, das den Holocaust und den zweiten Weltkrieg zu verantworten hatte, warum können dann heute nicht die Schulden des Globalen Südens gestrichen werden?
Die Schuldenthematik scheint in den Köpfen der Menschen im Globalen Norden keine besonders große Rolle zu spielen. Ist es im Globalen Süden anders?
E: Weißt du, wir sind mit diesen Schulden aufgewachsen. Anders ausgedrückt, Schulden liegen in der DNA des Globalen Südens. Diese Thematik ist einerseits tief im Bewusstsein der Menschen verankert, gleichzeitig aber auch nicht. Es ist eine merkwürdige Situation, denn die meisten Medien und die etablierte Politik versuchen ihr Bestes, nicht über die Schulden zu sprechen. Gleichzeitig sind die Schulden aber der Elefant im Raum, wenn es um Themen wie die Wirtschaftskrise, der Umweltzerstörung und viele andere Dinge geht.
Das Schuldenthema hängt wie ein riesiges Damoklesschwert über den Köpfen der Menschen. Trotzdem wird über das Thema nicht gesprochen, denn die Menschen sind viel eher damit beschäftigt die kleinen Dinge des Alltags zu diskutieren. Gleichzeitig ist es tief in unserem Bewusstsein verankert, dass wir durch diese Schulden global massiv benachteiligt sind. Aber es wird viel zu wenig darüber gesprochen und es fehlt auch die Bildung darüber. Daher werden die Strukturen reproduziert und wirken weiter.
Beispielsweise hatten wir in Argentinien 2001 eine große Schuldenkrise wegen horrender Forderungen des IWF. Und jetzt, 20 Jahre später, sind wir wieder in den Fängen des IWF – nur noch schlimmer als zuvor. Das alles, weil es kein Bewusstsein und keine Bildungsarbeit sowie Aufklärung darüber gibt, wie es zu sowas kommt. Und das ist genau das, was wir als soziale Bewegung nach Kräften versuchen zu ändern.
Wenn ihr alle eure Ziele erreichen würdet, wie würde die Welt aussehen? Was ist eure Utopie?
E: Worauf wir hinarbeiten, ist ein Systemwandel. Es ist zwar ein berühmter Begriff, der häufig genutzt wird. Gleichzeitig scheint er aber so abstrakt zu sein, dass viele Menschen in ihm nicht viel mehr als einen Slogan erkennen können. Was wir versuchen, ist jedoch nicht nur die Schulden des Globalen Südens zu streichen, sondern den Weg für einen tatsächlichen, tiefgreifenden Systemwandel zu ebnen.
Um das zu erreichen, müssen wir uns als Bewegung in Bescheidenheit üben und auf die Arbeiter*innen zugehen und verstehen, dass sie die wahren Akteur*innen und die treibende Kraft von Veränderungen in der Gesellschaft sind. Dazu gehört auch, sich einzugestehen, dass ein Systemwandel nicht von einem Café in Berlin ausgehen kann, wo zwei intellektuelle Menschen zusammensitzen und entscheiden, wie die Welt zu verändern sei.
Der Kolonialismus und Eurozentrismus sind tief verwurzelt in der Kultur eines Kontinents, der die Welt über 500 Jahre lang beherrscht hat. Manchmal können sich deshalb selbst die bestmeinenden Menschen, Aktivist*innen und Intellektuelle dem nicht entziehen – diese Selbstpositionierung an die Stelle Gottes, um uns, um dem Globalen Süden zu erzählen, wie wir uns weiterzuentwickeln und uns zu verändern haben.
Im Sinne dieser kritischen (Selbst)Reflexion sehen wir den besten Weg hin zu einem wahren Systemwandel darin, uns anzuschauen, welche Vereinbarungen der Globale Süden unter sich bereits geschlossen hat. Dazu gehört die Unabhängigkeit, die Emanzipation sowie die gegenseitige Kooperation und Integration im Rahmen der G77 mit aktuell 134 Mitgliedsstaaten.
Die Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens haben eine sehr klare Agenda, die den Interessen der westlichen (neo)kolonialen Mächte der G7 entgegensteht. In der Tat wurde die G7 als Reaktion auf die G77 und ihren Vorschlag einer neuen Weltwirtschaftsordnung (NIEO) gegründet. Gegenstand dieses radikalen Vorschlags ist ein Weltwirtschaftssystem, in dem gewährleistet ist, dass Staaten selbstbestimmt über den Umgang mit ihren natürlichen Ressourcen entscheiden können.
Diesen Vorschlag würden wir im neuen Kontext des 21. Jahrhunderts mit einer starken Betonung auf Schulden und die Klimakrise gerne wiederbeleben. Dabei wollen wir aufzeigen, dass die Schuldenstreichung eine der wenigen Finanzmechanismen für eine neue Weltwirtschaftsordnung ist, die tatsächlich realisiert werden kann, wenn die Staaten des Globalen Südens fest zusammenhalten. Aus diesem Grund arbeiten wir mit deren Vertreter*innen zusammen. So wurden wir dieses Jahr beispielsweise zum Treffen der G77 in Kuba eingeladen und unsere Ansätze wurden dort sehr gut aufgenommen.
Eigentlich geht dieser Prozess nicht schnell genug von statten. Aber wir wissen, dass es ein langer, schrittweise vorangehender Prozess ist, in dem wir unsere Bewegung konstant weiter aufbauen müssen, um den Druck zu erhöhen und den für Veränderungen nötigen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen. Systemwandel durch erreichbare Meilensteine und Ziele – das ist es, was wir versuchen, zu tun. Und wir sind davon überzeugt, dass dies nur mit den Arbeiter*innen möglich ist.
Es ist sehr wichtig, dass die Stimmen aus der Peripherie, aus dem Globalen Süden kommen und dass wir diese nicht-eurozentrische Position verteidigen. Wir glauben, dass Wandel von unten kommt und nach oben reicht und von der Peripherie zum Zentrum.
Das Interview führte, übersetzte und redigierte Jan Dreier.