Vergangene Woche wurden Aktivist*innen aus der Provinz Koh Kong, die sich friedlich für ihre Rechte einsetzten, grundlos verhaftet und angeklagt. Menschenrechtsaktivist*innen in Kambodscha werden immer wieder zum Ziel von Schikanen und Repressalien durch Justiz und Polizei. FIAN kritisiert, dass die Bundesregierung nun ein Projekt zur Unterstützung der kambodschanischen Polizei begonnen hat.
Am 29. Juni wurden zehn Aktivist*innen, die für die Übergabe einer Petition auf dem Weg in die Hauptstadt waren, von der Polizei grundlos gestoppt und festgenommen. Noch am gleichen Tag wurden sie wegen angeblicher „Aufwiegelung“ angeklagt. Ihnen drohen bis zu zwei Jahren Haft. Neun von ihnen befinden sich im hoffnungslos überfüllten Koh Kong Gefängnis in Untersuchungshaft.
Gestern verurteilten 51 zivilgesellschaftliche Gruppen und Menschenrechtsorganisationen in Kambodscha die Verhaftungen und Anklagen in einer gemeinsamen Pressemitteilung: „Wir fordern die sofortige Beendigung dieser Schikanen, das Fallenlassen der Anklagen und die sofortige und bedingungslose Freilassung aus der Untersuchungshaft“.
Die Landrechtsaktivist*innen in Koh Kong kämpfen zum Teil seit über zehn Jahren für Wiedergutmachung für die Vertreibung von ihrem Land zugunsten großflächiger Zuckerrohrplantagen. Zwischen 2006 und 2012 verpachtete die kambodschanische Regierung 150.000 Hektar an Agrarkonzerne, um Zuckerrohrplantagen anzulegen. Mindestens 5.500 Familien aus vier Provinzen waren hiervon betroffen, darunter auch die Gemeinden in Koh Kong. Der dort angebaute Zucker wurde anschließend zollfrei in die Europäische Union exportiert, im Rahmen der EU-Handelsinitiative „Alles außer Waffen“ – einer Triebfeder des Landraubs in Kambodscha.
Der friedliche Einsatz für Menschenrechte wird – wie so oft in Kambodscha – mit Verfolgung und Repressalien beantwortet. So war die geplante Petition an das Justizministerium gerichtet und galt der Forderung, Anklagen gegen insgesamt 30 Landrechtaktivist*innen aus mehreren von Landgrabbing betroffenen Gemeinden fallen zu lassen. Die Polizei drohte auch rund 20 anderen Gemeindemitgliedern mit Verhaftung, als sie sich am 30. Juni vor der Polizeistation in Koh Kong friedlich versammelten, um ihre Vertreter*innen zu unterstützen.
Premierminister Hun Sen, der das Land seit 38 Jahren mit eiserner Hand regiert und derzeit die Machtübergabe an seinen Sohn vorbereitet, lässt kaum noch Kritik zu. Die Opposition steht massiv unter Druck; die größte Oppositionspartei wurde für die anstehenden Parlamentswahlen am 23. Juli nicht zugelassen. Auch die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien werden zunehmend mundtot gemacht. Dabei setzt die Regierung in Phnom Penh vor allem auf Polizei und Justiz als Handlanger, um demokratische und zivilgesellschaftliche Räume zu schließen.
Umso überraschender war daher die Entscheidung der Bundesregierung, dieses Jahr ein Projekt zur Unterstützung der kambodschanischen Polizei zu beginnen. Bereits im Januar verkündeten der deutsche Botschafter und die Regierung in Kambodscha das Kooperationsprojekt. Weitere Details dazu wurden seither nicht veröffentlicht. Auf eine Frage im Bundestag durch die Abgeordnete Caren Lay (DIE LINKE) antwortete die Bundesregierung am 13. Juni, das „Beratungs- und Weiterbildungsprojekt“ ziele auf eine Unterstützung der kambodschanischen Polizeiakademie ab, etwa bei der „Modernisierung“ von Lehrplänen, „Organisationberatung“ und „Weiterbildungsmaßnahmen“ für Ausbilder*innen. Damit wolle man Inhalte wie „Bürgernähe, Transparenz, Achtung von Menschenrechten sowie Genderaspekte“ bei der Ausbildung fördern.
Aus menschenrechtlicher Perspektive ist das Projekt höchst fragwürdig. FIAN Deutschland und Menschenrechtsaktivist*innen in Kambodscha kritisieren daher diese Zusammenarbeit. „Die Polizei beschneidet systematisch die bürgerlichen Rechte und geht gegen Menschenrechtsverteidiger*innen vor, wie die Verhaftungen der vergangenen Woche erneut gezeigt haben“, so Mathias Pfeifer von FIAN Deutschland. „Eine bessere Ausbildung und neue Lehrpläne werden daran nichts ändern, denn die zugrundeliegenden Probleme sind nicht mangelnde Kapazitäten, sondern politische Einflussnahme, fehlende Rechtsstaatlichkeit und Straflosigkeit“, so Pfeifer weiter.
Insofern wird das Projekt auch kaum zu positiven Veränderungen beitragen und könnte von der kambodschanischen Regierung missbraucht werden, um das Image der oft kritisierten Sicherheitskräfte im eigenen Land zu verbessern. FIAN fordert die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit in diesem Bereich sofort einzustellen und die Gelder dafür zu nutzen, bedrohte Menschenrechtsverteidiger*innen zu unterstützen.
Pressekontakt:
Mathias Pfeifer, Referent für Südostasien, m.pfeifer@fian.de