Seit 2013 hält die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) 15,8 Prozent der Anteile der Paraguay Agricultural Corporation (PAYCO). Sie beteiligte sich mit 25 Mio. Euro an dem Unternehmen. PAYCO ist ein luxemburgisches Agrarunternehmen und betreibt Landwirtschaft, Viehzucht und Holzwirtschaft. Die Investition diente ausdrücklich dem Ziel, weitere 5.000 Hektar Land für das Unternehmen zu erwerben. PAYCO ist mit 146.000 Hektar bereits der zweitgrößte Landbesitzer in Paraguay.
Landkonzentration und Menschenrechtsverletzungen in Paraguay
Paraguay zählt zu den Ländern mit der stärksten Landkonzentration: 94 Prozent des Ackerlandes gehören großen Betrieben und der Agrarindustrie, lediglich sechs Prozent indigenen und kleinbäuerlichen Familien. Etwa 120.000 Familien in Paraguay – knapp 30 Prozent der gesamten Landbevölkerung – gelten als landlos. Zwar gilt die Umverteilung von Land offiziell als Kernziel der Agrarreform, dies wird jedoch kaum umgesetzt. Großgrundbesitzer*innen, die ihr Land auf unrechtmäßige Weise erworben haben, werden systematisch geschützt. Die Rede ist von den knapp acht Millionen Hektar „tierras malhabidas“ – Ländereien, die während der Stroessner-Diktatur (1954-1989) an die rechtmäßigen Begünstigten der Agrarreform hätten übergeben werden sollen, aber stattdessen illegal an Verbündete des Regimes gingen. Anstatt jedoch Großgrundbesitz zu enteignen, werden kleinbäuerliche und indigene Gemeinden ohne offizielle Landtitel oft brutal vertrieben. Durch die Expansion des Agroexportmodels landet immer mehr Land in den Händen von wenigen großen Agrarunternehmen – wie PAYCO.
Nicht selten kommt es bei den Vertreibungen zu Zerstörungen von Häusern und Vorräten sowie zum Diebstahl von Eigentum und Nutztieren. Das Protokoll für die Durchführung von Räumungen wurde von der Regierung selbst im Jahr 2019 aufgehoben. Ein neues Kriminalisierungsgesetz in Paraguay sieht zudem eine 10-Jährige Haftstrafe für Landbesetzungen vor. Seit dessen Verabschiedung im September 2021 bis zum Sommer 2022 wurden bereits 60 Personen angeklagt.
Die Ernährungs- und Armutssituation in Paraguay ist eng mit der starken Landkonzentration und dem industriellen Agrarmodell verbunden, denn vielen Menschen wird der Zugang zu Land – teilweise ihrem eigenen – verwehrt. Mit der Verletzung des Rechts auf Zugang zu Land gehen andere weitreichende Menschenrechtsverletzungen einher, insbesondere des Rechts auf Nahrung. Die Enteignung von ihrem Land hat in Paraguay viele Kleinbäuer*innen und Indigene gezwungen, ihre Gewohnheiten und Traditionen zu ändern, was das Überleben vieler Gemeinden grundlegend gefährdet. Nach UN-Angaben sind rund zehn Prozent der Bevölkerung in Paraguay unterernährt. Große Teile besonders der indigenen Bevölkerung leben in extremer Armut.
Verdacht: DEG stellt Landbesitzansprüche über Menschenrechte
PAYCO steht ebenfalls in der Kritik, Menschenrechte zu verletzen und Umweltauflagen zu missachten. Wiederholt wurden auf PAYCO-Farmen Entwaldung und Landkonflikte mit Indigenen dokumentiert.
Konkret: FIAN sind zwei Landkonflikte auf den von PAYCO erworbenen Landflächen bekannt. Einer davon innerhalb der PAYCO Farm Estancia Golondrina. Hier leben zwei Indigenengemeinden vom Volk der Mbya Guarani. Sie erheben Anspruch auf 2.015 Hektar Land der Farm, welches das Kernland der Indigenengemeinde darstellt. 2013 wurden seitens der Indigenengemeinden erneut formale Schritte eingeleitet, um das Land übertragen zu bekommen – bis heute erfolglos. Der andere Konflikt betrifft Lomas, die größte Farm von PAYCO mit 36.408 Hektar. Hier wurde Gemeinden auf Basis der Agrarreform Land zugesprochen. Trotz dem und eines schwebenden Verfahrens wurde laut der Gemeinde genau auf diesem Land seit 2013 – seit die DEG involviert ist – ein Teil der Eukalyptus-Plantagen angelegt.
Inwieweit PAYCO über diese Fälle Bescheid wusste und Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechte und Umwelt im Rahmen seiner Projekte durchgeführt wurden stehen möglicherwiese in seinen Sozialaktions- und Umweltplänen. Anfragen auf Einsichtnahme wurden aber durch die DEG und die KfW – auch gegenüber Abgeordneten des Deutschen Bundestags – wiederholt abgelehnt. Dabei ist die DEG laut ihrer Satzung an die Ziele der deutschen Entwicklungspolitik gebunden. Sie ist der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet und trägt dabei menschenrechtliche und umweltbezogene Verantwortung.
FIAN reicht Klage ein
Infolgedessen erhob FIAN in Kooperation mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) Klage. Zunächst, am 21. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gegen die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) und am 05. Oktober 2021 gegen deren Tochtergesellschaft DEG.
Die Klage ist in dem Umweltinformationsgesetz und dem Informationsfreiheitsgesetz. Da die KfW sowie die DEG Staatliche Stellen sind müssen von ihnen finanzierte Projekte Menschenrechte und Umweltauflagen achten und in meistens Informationen diesbezüglich, offenlegen – Im Fall von PAYCO die genannten Sozialaktions- und Umweltpläne.
Der aktuelle Stand: Der Klage wurde am 23. November 2022 stattgegeben. Die KfW ist nach dem Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts informationspflichtig und muss angefragte Informationen zu Agrar-Investitionen in Paraguay von der DEG beschaffen.
FIAN und ECCHR werden darauf drängen. Nun ist der Fall ein Präzedenzfall für menschenrechtliche und umweltbezogene Standards deutscher Entwicklungsfinanzierung und kann so hoffentlich auch in anderen Fällen Betroffenen helfen ihre Rechte zu verteidigen:
„Es geht um die Frage, inwieweit Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden und wie weit diese Verantwortungskette reicht. Und es geht darum, ob deutsche Abgeordnete, Journalistinnen und Menschenrechtler ein Recht darauf haben, Auskunft zu erhalten über wirtschaftliche Tätigkeiten, die auch mithilfe deutscher Staatsgelder finanziert werden.“ – (Elisa Rheinheimer, PM Weltsichten)