Seit nun mehr zwei Jahrzehnten steckt der Kakao- und Schokoladensektor in der Krise. Der Klimawandel sorgt für unvorhergesehene und teils verheerende Wetterereignisse für den Kakaoanbau. Die Bäuer*innenschaft altert stetig und der Nachwuchs bleibt aus. Kinderarbeit ist nach wie vor ein Problem. Insbesondere in Westafrika, wo der Großteil des weltweiten Kakaos produziert wird, leben die allermeisten Kakaobäuer*innen in materieller Armut – die Kakaopreise sind so niedrig, dass ihre Kinder häufig beim Kakaoanbau helfen müssen.
Auf der internationalen Konferenz „Nachhaltige Kakao-Lieferkette in Zeiten der Krise – wie kann es gelingen?“ im Kölner Schokoladenmuseum diskutierten am 24. Mai Vertreter*innen der Hersteller, der GIZ sowie der Zivilgesellschaft darüber, wie die multiplen Krisen des Kakao- und Schokoladensektors gelöst werden können.
Diese Diskussion, an der sich auch FIAN beteiligte, ist bitter nötig. Durch die De-Regulierung des Kakao- und Schokoladensektors in den späten 1980er Jahren wurden globale Mechanismen, die den Weltmarktpreis für Kakao auf einem bestimmten Niveau hielten, außer Kraft gesetzt. Die verheerenden Folgen: Die Kakaobäuer*innen haben keine Planungssicherheit mehr und sind schwankenden Preisen ausgesetzt. Diese sind so gering, dass die meisten Kakaobäuer*innen in materieller Armut leben.
Die Meinung der Zivilgesellschaft sowie der auf der Konferenz vertretenen Wissenschaft ist eindeutig: Wenn diese Missstände überwunden werden sollen, muss die Perspektive der Kakaobäuer*innen an erster Stelle stehen. Sie sind es, die den gesamten Sektor versorgen, also müssen auch sie es sein, die im Fokus der Diskussionen über Nachhaltigkeit stehen. Von einer nachhaltigen und gerechten Kakao- und Schokoladenlieferkette kann nur dann die Rede sein, wenn die Produzent*innen ein Einkommen durch den Kakaoanbau erwirtschaften können, das ihnen ein Leben in Selbstbestimmung und ohne finanzielle Nöte ermöglicht. Da die oberste Forderung der Kakaobäuer*innen immer ein existenzsicherndes Einkommen ist, steht auch für die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft fest: Ein existenzsicherndes Einkommen muss umgehend zur Realität werden.
Aus dem Grund, dass ein selbstbestimmtes Leben für alle Kleinbäuer*innen zur Realität werden muss, waren existenzsichernde Einkommen auch im Zuge der Debatten um das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) eine zentrale Forderung der Zivilgesellschaft.
Warum das existenzsichernde Einkommen nicht Teil des deutschen Lieferkettengesetzes geworden ist, wird exemplarisch an der Haltung eines Vertreters der Kakao- und Schokoladenindustrie deutlich: Auf der gestrigen Konferenz behauptete dieser, dass die Kakaobäuer*innen keine höheren Preise erwarten könnten, solange sie keine Zusatzleistungen erbringen. Im Leben bekäme niemand mehr Geld, ohne mehr dafür zu leisten. Die Devise der Industrie lautet, die Kakaobäuer*innen müssten ihre Produktivität steigern, um besser vom Anbau leben zu können. Der Vertreter der Industrie sähe ohnehin keine Zukunft für den kleinbäuerlichen Kakaoanbau. Die Felder seien einfach zu klein. Nur größere Felder mit intensiviertem und „modernisiertem“ Anbau könnten die Antwort auf die Frage sein, wie Kakaobäuer*innen der materiellen Armut entkommen könnten.
Diese Argumentationslinie macht deutlich: Die Kakao- und Schokoladenindustrie erkennt den Wert der Arbeit auf den Kakaofeldern nicht an. Stattdessen versucht sie, die Armut der Kakaobäuer*innen zu legitimieren. Sie behauptet, die Kakaobäuer*innen leisteten zu wenig und seien damit selbst schuld an ihrer Misere. Eine zynische Rhetorik, wenn man bedenkt, dass die großen Hersteller jedes Jahr Milliardengewinne einfahren, während Kakaobäuer*innen in materieller Armut leben.
Aktuell werden die Verhandlungen über das europäische Lieferkettengesetz (CSDDD) geführt. Dies ist von besonderer Relevanz, da das deutsche Lieferkettengesetz an das der EU angepasst werden muss, sobald dieses verabschiedet wurde. Das existenzsichernde Einkommen liegt auch hier auf dem Verhandlungstisch. Um Druck auf die Politik auszuüben, können Sie jetzt hier aktiv werden. Senden Sie eine vorformulierte oder individuelle E-Mail an Abgeordnete aus dem EU-Parlament. Bereits am 1. Juni fällt die Entscheidung. Ihre Stimme ist wichtig.