Die drei Kern-Dokumente der internationalen Menschenrechte sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Recht (UN-Sozialpakt oder WSK-Rechte) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt). Letzteres wurde 2013 um ein Zusatzprotokoll ergänzt, welches die internationalen Menschenrechte essentiel stärkt. Heute (11.11.) wird dieses Protokoll auch in Deutschland ratifiziert.
Der Pakt über WSK-Rechte trat am 3.1.1976 in Kraft. Am 23.3.1976 folgte sein Zwillingsbruder, der Pakt über bürgerlich-politische Rechte zusammen mit seinem Zusatzprotokoll. Dieses erlaubt die Individualklage gegen Verletzungen des Paktes durch Staaten, die das Zusatzprotokoll ratifiziert haben. Deshalb nennt man es auch „Fakultativprotokoll“ oder im Englischen „Optional Protocol“. Die Klagemöglichkeit ist ein wichtiges Instrument, Rechte durchzusetzen und Rechtsprechung zu entwickeln. Dem WSRK-Pakt wurde ein solches Protokoll verwehrt.
– bis zum Jahr 2013, als eine Gemeinschaft von Staaten das Zusatzprotokoll des UN-Sozialpakts ratifizierte und heute schließt sich Deutschland dieser Gruppe an und setzt somit ein klares Zeichen für die internationale Menschenrechte.
Wir erklären, warum es so lange gedauert hat, dieses Dokument zu verwirklichen und welche zentrale Rolle FIAN dabei gespielt hat:
Diese Menschenrechts-Pakte sind mit Ausschüssen versehen, die ihre Umsetzung überwachen und ihre Inhalte weiter beschreiben und voranbringen sollen. Der zum WSKR-Pakt gehörende Ausschuss war erst etwa 1987 arbeitsfähig. FIAN International (Recht auf Nahrung) und Habitat International (HIC) zum Recht auf Wohnung waren damals die ersten – und einzigen – Nichtregierungsorganisationen, die diesen Ausschuss in seiner Arbeit unterstützten. Seit seiner fünften Sitzung 1991 bereitete der Ausschuss die Einrichtung eines Zusatzprotokolls für den WSKR-Pakt vor. FIAN und HIC waren sich klar darüber, dass ein solches Zusatzprotokoll für die Stärkung der von ihnen vertretenen Menschenrechte und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte insgesamt unerlässlich ist – und für ihre eigene Arbeit mit den Opfern von Menschenrechtsverletzungen wichtig sein könnte. Entsprechend unterstützten sie den Ausschuss bei dieser Initiative. Rolf Künnemann (FIAN) und Scott Leckie (HIC) schrieben 1992 einen ersten zivilgesellschaftlichen Entwurf für dieses Protokoll.
FIAN International und Habitat International waren die ersten die den WSK-Ausschuss bei seiner Arbeit unterstützen und schließlich den ersten Entwurf für das heute ratifizierte Protokoll entwarfen.
FIAN International machte das Zusatzprotokoll zum Hauptthema seiner Kampagne während der Weltmenschenrechtskonferenz 1993 in Wien. In ihrer Schlusserklärung „ermutigte“ die Konferenz die Menschenrechtskommission „zusammen mit dem WSKR-Ausschuss die Untersuchung von Zusatzprotokollen für den WSKR-Pakt fortzusetzen“. FIAN International beschloss daraufhin, nicht lockerzulassen, bis ein solches Protokoll in Kraft wäre, und begann ein Kampagnennetzwerk aufzubauen. Es sollte aber noch 15 Jahre dauern, bis das Protokoll angenommen und in diesem Sinne die Gleichheit der Menschenrechte endlich hergestellt war.
Die Menschenrechtskommission forderte den 1994 den WSKR-Ausschuss auf, demnächst einen Bericht über den Entwurf eines solchen Protokolls vorzulegen. Dieser Entwurf war 1995 fertig und wurde vom Vorsitzenden des Ausschusses, Phil Alston, unter anderem auf einer internationalen Konferenz des niederländischen Menschenrechtszentrums in Utrecht vorgestellt. Das Zentrum hatte dazu auch Rolf Künnemann von FIAN International eingeladen, einen Beitrag aus der Sicht des Menschenrechts auf Nahrung zu leisten. Das Zentrum in Utrecht stellte auf der Konferenz einen eigenen Protokoll-Entwurf. So wurde die internationale Debatte immer konkreter.
Für FIAN International war die Kampagne für das Fakultativprotokoll zur Dauerkampagne geworden. Sie wurde in Genf und in Hauptstädten weltweit, allein und zusammen mit einer wachsenden Zahl zivilgesellschaftlicher Akteure Jahr um vorangetrieben. Die Menschenrechtskommission richtete schließlich eine „offene Arbeitsgruppe“ ein, die in ihren ersten drei Sitzungen 2004-2006 mit einem relative vagen Mandat „verschiedene Möglichkeiten der Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls untersuchen“ sollte. Von einem Entwurf war nicht die Rede. Die „OP-Coalition“ der Zivilgesellschaft, in der FIAN eine führende Rolle spielte, tat ihr Bestes. Ein Durchbruch wurde 2006 erzielt, als der neue Menschenrechtsrat das Mandat der Arbeitsgruppe änderte. Es zielte nun auf den Entwurf eines Protokolls. In zwei Sitzungen 2007 und 2008 erstellte die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Catarina de Albuquerque das Zusatzprotokoll unter Beteiligung zahlreicher Staatenvertreter in teilweise sehr schwierigen Verhandlungen, zu denen FIAN International (in Genf vertreten unter anderen durch Sandra Epal-Ratjen) mit einer komplexen Lobbyarbeit beitrug. Das Protokoll wurde schließlich am 10.12.2008 angenommen und war im folgenden Jahr bereit für die Ratifikation.
Es ging nunmehr um die Ratifizierung durch zehn Staaten, damit das Protokoll in Kraft treten konnte. Dabei waren vor allem die nationalen FIAN-Sektionen gefordert. Am 5.5.2013 war es geschafft. Heute hat das Protokoll 26 Mitgliedsstaaten und 24 Unterzeichner. Die Ratifizierung durch die Bundesrepublik ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Menschenrechte insgesamt – und der WSKR insbesondere.
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Das Forum für Menschenrecht, in dem auch FIAN Mitglied ist, begrüßt die Ratifikation des Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt und erklärt weiter warum es für das Protokoll höchste Zeit ist…