Zum heutigen „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ veröffentlicht FIAN Deutschland einen Artikel zur Situation in Nepal: viele nepalesische Frauen arbeiten in den Golfstaaten; oftmals werden sie Opfer von Menschenhandel oder sexueller Gewalt.
Rund 400.000 Menschen verlassen Nepal pro Jahr, um im Ausland zu arbeiten. Nach offiziellen Angaben sind hiervon nur fünf Prozent Frauen. Tatsächlich sind es wahrscheinlich zehnmal so viele, denn arbeitswillige Frauen nutzen oft irreguläre Wege und entziehen sich der Registrierung. Einer der Gründe, der Frauen in die illegale Migration treibt, sind gesetzliche Vorgaben zu ihrem vorgeblichen Schutz. Doch diese bewirken das Gegenteil: die Migration wird gefährlicher, jährlich werden mindestens 7.000 nepalesische Frauen und Kinder Opfer von Menschenhandel.
Nepal will die weitverbreitete Arbeitsmigration aktiv gestalten und die Bürger*innen – so die offizielle Lesart – vor Risiken schützen. Dabei nimmt die Zahl weiblicher Arbeitsmigrantinnen stetig zu: Zwischen 2006/07 und 2013/14 hat sich ihre Zahl um das 74-fache erhöht, die der Männer um das 2,5-fache. Allein die Zahl der Frauen, die 2015 in den Golfstaaten arbeiteten, wurde auf 350.000 geschätzt (1). Die Arbeitsmigration wird also weiblicher. Damit einher gehen jedoch Berichte von Missbrauch, sexueller Gewalt, Zwangsprostitution und Organhandel.
Der nepalesische Staat reagiert mit einem Schlingerkurs gesetzlicher Regulierung: ab 2012 wurde ein Altersverbot verhängt, welches Frauen unter 30 Jahren die Arbeitsmigration in arabische Staaten untersagte. 2014 wurde das Verbot auf alle Frauen sowie auf gering qualifizierte Tätigkeiten in allen Ländern ausgedehnt. 2015 wurde das Verbot zunächst gelockert, dann wieder eingeführt und 2016 erneut aufgehoben. Aktuell können Frauen ab 24 Jahren legal in bestimmte Länder zur Hausarbeit migrieren (2). Frauen unter 24 Jahren ist die Arbeitsmigration untersagt. 2017 folgte eine Initiative des Parlaments mit der Zielsetzung, den legalen Weg wieder außer Kraft zu setzen.
Wer profitiert von restriktiven Gesetzen?
In Nepal sind mehr als 900 sogenannte „Rekrutierungsagenturen“ tätig. Hinzu kommen Unterbüros, assoziierte Agenten sowie Orientierungs- und Trainingsinstitutionen. Interviews und Feldforschungen in Nepal bestätigen, dass Agenturen wie auch staatliche Stellen von einem restriktiven System profitieren. So sei beispielsweise nach der letzten parlamentarischen Initiative die „Gebühr“, um eine Arbeitnehmerin in die Golfstaaten zu vermitteln, von 40.000 auf 80.000 Rupien gestiegen (1). Je restriktiver das System, umso höher werden Bestechungsgelder, Aufwand und Endpreis der Vermittlung. Dies bestätigen die Agenten: „Meine zehnjährige Erfahrung mit dem Arbeitsministerium zeigt mir, dass sie den Prozess nicht straffen, um etwas zu kontrollieren oder zu stoppen, sondern um mehr Geld herauszuholen. Für uns Agenten ist das nicht wichtig. Wenn offizielle Stellen 3.000 Rupien Bestechungsgeld verlangen, schlagen wir diese auf den Preis auf, für uns noch mal 10.000 weitere dazu und verlangen 13.000 Rupien mehr. Leidtragend ist der Kunde, nicht wir“ (1).
Zwar fließt ein Teil des im Ausland verdienten Geldes nach Nepal zurück. Nach Angaben des Arbeitsministeriums stellten diese Überweisungen im Haushaltsjahr 2016/2017 fast 27 Prozent des nepalesischen Bruttosozialprodukts dar. Jedoch ist die Summe, die in den Privathaushalten ankommt, vergleichsweise bescheiden: rund 80.000 Rupien – etwa 620 € – pro Jahr (3). Das Missverhältnis zu den Kosten und den Risiken der Vermittlung liegt auf der Hand.Arbeitsmigrant*innen stärken statt reglementieren
Bereits die legale Arbeitsmigration führt häufig in Ausbeutung und Abhängigkeitsverhältnisse, wie dies z.B. bezüglich der Arbeitsbedingungen im Vorfeld der WM 2020 in Katar eindeutig dokumentiert ist. Die spezifische Gesetzgebung Nepals gegenüber jungen Frauen erhöht darüber hinaus ihr Risiko, Opfer von Menschenhandel zu werden. Es diskriminiert aufgrund des Geschlechts und verletzt zudem das Menschenrecht auf Freizügigkeit, nach dem jeder Mensch jedes Land – einschließlich seines eigenen – verlassen darf. Wenn aus Arbeitsmigration Arbeit in Würde werden soll, müssen die potentiellen Migrant*innen deutlich gestärkt und die Zielländer der Migration wesentlich effektiver in ihre menschenrechtliche Pflicht genommen werden.(1) Restrictive Labour Migration Policy on Nepalese Women. 2018.
(2) Migration Planning Among Female Prospective Labour Migrants from Nepal. 2018
(3) Nepal Ministry for Labour: Labour Migration for Employment: 2015/2016-2016/2017
Der weltweite Verband von Kleinbäuer*innen „La Via Campesina“, mit dem FIAN eng kooperiert, ruft zu Aktionen gegen die Gewalt an Frauen auf. Für die Aktionswoche gibt es Poster und Postkarten, die hier kostenlos abgerufen werden können.