Die „Wasserversorgung für Alle“ ist ein internationales Nachhaltigkeitsziel und wurde 2010 von den UN als Menschenrecht anerkannt. Die Staaten müssen somit der Wasserversorgung Vorrang einräumen, vor allem von marginalisierten Bevölkerungsgruppen.
Dennoch besitzen 2,1 Milliarden Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Wasser; 4,2 Milliarden haben keine geschützte und hygienische Sanitärversorgung. Frauen und Mädchen sind von den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen überproportional und in mehrfacher Weise betroffen. Zugleich belegen Studien den Zusammenhang zwischen sicheren Land- und Wasserrechten für Frauen und Entwicklung.
Anlässlich des Internationalen Tags der Frau fordert die Menschenrechtsorganisation FIAN die Bundesregierung auf, das Menschenrecht auf Wasser ins Zentrum ihrer Entwicklungsstrategien zu stellen und Frauen aktiv in die Entwicklung und Durchführung von Projekten einzubeziehen. Die Verfügbarkeit von Wasser ist grundlegend für die Verwirklichung aller Menschenrechte. Doch ein Drittel der Menschheit besitzt weiterhin keinen sicheren Zugang zu sauberem Wasser.
Gemäß einer Studie der International Union for Conservation of Nature (IUCN) verstärkt dieser Mangel die Gewalt gegen Frauen und Mädchen. In Ländern des globalen Südens sind Frauen und Mädchen in acht von zehn Haushalten ohne Wasseranschluss für die Wasserversorgung verantwortlich. In Afrika südlich der Sahara müssen Frauen in ländlichen Regionen mehrmals täglich durchschnittlich 33 Minuten aufwenden, um Wasser zu holen. In Städten sind es 25 Minuten.
Auf den Wegen zu Wasserstellen sind sie oftmals sexuellen Belästigungen und Gewalt ausgesetzt. So haben in Pakistan 80 Prozent der Frauen, die zum Wasserholen ihr Grundstück verlassen müssen, Gewalt erfahren, verglichen mit 10 Prozent der Frauen, die sich auf ihrem Grundstück ausreichend mit Wasser versorgen können. In Indien werden insbesondere Frauen diskriminierter Kasten und Minderheiten beim Wasserholen belästigt oder bewusst erniedrigt.
Auch häusliche Gewalt wird durch den mangelnden Zugang zu Wasser verstärkt. So werden laut der Studie der IUCN Frauen in Äthiopien misshandelt, wenn sie zu wenig Wasser holen oder aus Sicht ihrer Männer dafür zu viel Zeit benötigen. In Pakistan verkaufen Händler in benachteiligten Stadtteilen Leitungswasser zu überteuerten Preisen. Wenn Frauen dieses aus Zeitmangel kaufen, riskieren sie wegen der Ausgaben Gewalt ihrer Männer. Für Mädchen in Bangladesch erhöht Wasserknappheit das Risiko, von ihrer Familie bereits als Kinder verheiratet zu werden.
Der Zeitaufwand und die Gewalterfahrungen von Mädchen und Frauen bei der Wasserversorgung behindert erheblich ihre Bildungs- und Erwerbschancen. So zeigen UNICEF-Studien, dass eine sichere Versorgung mit Wasser und Sanitäranlagen in ländlichen Regionen Pakistans zur Erhöhung der Einschulungsrate von Mädchen und der Erwerbstätigkeit von Frauen um 80 Prozent beigetragen hat. In Tansania erhöhte sich der Schulbesuch von Mädchen um 12 Prozent, wenn Wasserstellen innerhalb von 15 Minuten erreichbar waren, im Vergleich zu über 30 Minuten. Auch die Folgen der Klimaerhitzung – Trockenheit, Versalzung von Grundwasser, Überflutungen – erhöhen die Gewalt gegen Frauen. So stieg im Inselstaat Vanuatu die häusliche Gewalt nach zwei aufeinanderfolgenden Zyklonen um 300 Prozent.
FIAN ist besorgt über die Ressourcenpolitik der Bundesregierung, die weltweit zur Ausweitung von wasserintensiven Bergbauprojekten und Großplantagen beiträgt. Dies führt häufig zu Privatisierungen von Wasservorkommen und in der Folge zu Wasserknappheit in örtlichen Gemeinden. Beispiele dafür sind der Abbau von Lithium für Batterien oder der Anbau von Palmöl und Zuckerrohr für Agrartreibstoffe.
FIAN fordert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das Auswärtige Amt auf, Menschenrechte von Frauen und Mädchen ins Zentrum ihrer Bemühungen um eine bessere Wasser- und Sanitärversorgung zu stellen und dabei konsequent menschenrechtlichen Prinzipien zu folgen. Es reicht nicht aus, den fehlenden Zugang zu Wasser als ein rein technisches und monetäres Problem zu behandeln. Die Rechte von Frauen auf Wasser und Land müssen gestärkt werden, Menschenrechten muss Vorrang vor Wirtschaftsinteressen eingeräumt werden, Frauen und Mädchen müssen bei Entwicklungsprojekten vorrangig einbezogen werden. Darüber hinaus muss die Bundesregierung ihre Klimaschutzpolitik verstärken.
Kontakt:Gertrud Falk, FIAN Deutschland, Tel. 0221-47 44 91-15, E-Mail: g.falk@fian.de
Hintergrundinformationen:
• IUCN 2019: Gender-based violence and environment linkages. https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/2020-002-En.pdf
• FIAN Deutschland: Klimawandel und Menschenrechte
• Webseite von UN Water: www.unwater.org/water-facts/gender/