Meldung zum UN-Welternährungsgipfel
In einem offenen Brief kritisieren zahlreiche Wissenschaftler*innen ein geplantes, neues wissenschaftliches-Beratungsgremium der Vereinten Nationen zu Ernährungssystemen. Dessen Einrichtung wird von den Organisator*innen des im Herbst stattfindenden UN-Welternährungsgipfels (UN Food Systems Summit) vorangetrieben und soll auf dem Vorgipfel Ende Juli diskutiert werden.
Als „IPCC for Food“ soll das neue sogenannte „Wissenschafts-Politik-Interface“ eine angebliche Lücke in Wissenschaft und Politik hinsichtlich globaler Ernährungssysteme füllen, obwohl bereits das Expert*innengremium „High Level Panel of Experts“ des UN-Ausschusses für Welternährung (UN Committee on World Food Security) genau diese Aufgabe erfüllt.
Beim diesjährigen UN-Welternährungsgipfel im Herbst könnten konkrete Lösungsansätze ausgearbeitet werden, um die globalen Ernährungssysteme nachhaltig, demokratisch, gerecht und gesund zu gestalten. Doch die bisherige Vorbereitung des Gipfels – und dessen Vorgipfel Ende Juli – ist stark von den Interessen der Industrie und Finanzwelt geprägt. Bis jetzt wird einseitig auf das industrielle Landwirtschaftsmodell und technologische Innovationen gesetzt.
In diesem Zusammenhang drücken internationale Wissenschaftler*innen, Forscher*innen und Akademiker*innen in einem offenen Brief an Regierungen und politischen Entscheidungsträger*innen ihre Besorgnis aus über die geplante Etablierung eines neuen Wissenschafts-Politik-Interfaces (WPI) im Rahmen des Gipfels. Der Vorschlag für dieses WPI stammt von der Gruppe wissenschaftlicher Berater*innen des UN-Welternährungsgipfels – geleitet vom deutschen Wissenschaftler Joachim von Braun. Das Konzept dieses neuen, „zusätzlichen“ WPI – auch als „IPCC for Food“ bezeichnet – wurde bis jetzt jedoch noch keinem Entscheidungsgremium formell vorgelegt. Die Unterzeichnenden befürchten, diese WPI würde „die Steuerung von Ernährungssystemen und die wissenschaftliche Beratung einseitig an Wirtschaftsinteressen ausrichten“. Dadurch würden nicht nur demokratische Prinzipien, sondern auch die Rolle von gut funktionierenden, bereits existierenden WPIs wie das „High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition“ (HLPE) des UN-Ausschusses für Welternährung ignoriert werden.
Ein WPI spielt durch die Vermittlung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse an Regierungen eine entscheidende Rolle für die Erarbeitung politischer Entscheidungen. Dies gilt vor allem für komplexe und umstrittene Themen, wie der Nachhaltigkeit von Ernährungssystemen. Das HLPE verfügt genau über die Qualitäten, die den sich abzeichnenden Vorschlägen des neuen WPI zu fehlen scheinen: Rechenschaftspflicht gegenüber Regierungen, indigenen Völkern und der Zivilgesellschaft, Offenheit für ein breites Spektrum unterschiedlicher Wissenssysteme, öffentliche Konsultation und die Fähigkeit, Kontroversen aus einer Reihe unterschiedlicher Perspektiven zu behandeln.
Um eine von unternehmerischen Interessen gelenkte Agrar- und Ernährungswende zu verhindern, appellieren die Unterzeichnenden des offenen Briefes an Regierungen und andere politische Entscheidungsträger*innen weltweit, das durch den UN-Welternährungsgipfel geförderte neue WPI öffentlich abzulehnen und stattdessen ihre Unterstützung für das HLPE zu verstärken.
Hier kann der Brief von Befürworter*innen unterzeichnet werden.