Seit Sommer 2016 befasste sich der UN-Frauenrechtsausschuss mit der Diskriminierung von Frauen in Deutschland. Behandelt wurden auch Rechtsverletzungen, die durch die deutsche Politik im Ausland verursacht werden. Am 21. Februar führte der Ausschuss hierzu einen Dialog mit der Bundesregierung, in dem auch FIAN zu Wort kam.
Nun veröffentlichte der Ausschuss seine abschließenden Empfehlungen („Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany“ vom 3. März 2017).
Der Ausschuss zeigt sich darin besorgt über das Verhalten deutscher Firmen im Ausland – besonders im Textil- und Agrarbereich – sowie über unzureichende Klagemöglichkeiten im Fall von Menschenrechtsverletzungen. Der Ausschuss empfiehlt der Bundesregierung, effektive Beschwerdemechanismen sowie verbindliche menschenrechtliche Untersuchungen im Vorfeld von Auslandsinvestitionen einzuführen.
Auszüge der Empfehlungen, die u.a. auf den Parallelbericht von FIAN Bezug nehmen (eigene Übersetzung; der englische Original-Text findet sich unten).
Extraterritoriale Staatenpflichten
Der Ausschuss ist besorgt über:
1. die negativen Auswirkungen des Verhaltens transnationaler Firmen, insbesondere von Textil- und großen Agrarunternehmen, die im Vertragsstaat ansässig oder registriert sind und im Ausland tätig sind, auf die Verwirklichung der in der Konvention verankerten Rechte für örtliche Frauen und Mädchen in Drittstaaten;
2. den unzureichenden rechtlichen Rahmen für Unternehmen und Gesellschaften, die in dem Vertragsstaat registriert oder ansässig sind, für Verstöße gegen die Menschenrechtsverletzungen an Frauen im Ausland und das Fehlen einer Genderperspektive im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016;
3. das Fehlen eines wirksamen unabhängigen Mechanismus mit Befugnissen, Beschwerden wegen Verletzungen durch solche Unternehmen zu untersuchen, zum Beispiel Vorwürfe von Zwangsvertreibungen von im Ausland ansässigen deutschen Unternehmen; und den begrenzten Zugang zu gerichtlichen Rechtsbehelfen von Frauen, die Opfer solcher Verstöße wurden;
4. die mangelnden Folgenabschätzungen, ausdrücklich mit Berücksichtigung der Rechte der Frauen bei der Aushandlung von internationalen Handels- und Investitionsabkommen.
Der Ausschuss empfiehlt, dass der Vertragsstaat:
1. seine Rechtsvorschriften über das Verhalten von Unternehmen, die in dem Vertragsstaat registriert oder ansässig sind, in Bezug auf ihre Tätigkeiten im Ausland verstärkt, einschließlich der Erfordernis, dass diese Unternehmen vor der Durchführung von Investitionsentscheidungen Menschenrechts- und Gender-Folgenabschätzungen durchführen müssen;
2. wirksame Mechanismen einführt, um Beschwerden, die gegen diese Unternehmen eingereicht werden, zu untersuchen, mit dem Mandat, unter anderem Beschwerden zuzulassen und unabhängige Untersuchungen durchzuführen und eine Genderperspektive in den NAP aus dem Jahr 2016 zu integrieren;
3. konkrete Maßnahmen einleitet, einschließlich eines Rechtsbehelfsmechanismus, um den Zugang zu Gerechtigkeit für Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu erleichtern und sicherzustellen, dass die Rechts- und Verwaltungsmechanismen eine geschlechtsspezifische Perspektive berücksichtigen; die vom Vertragsstaat ausgehandelten Handels- und Investitionsabkommen den Vorrang ihrer internationalen Menschenrechtsverpflichtungen gegenüber den Interessen der Anleger anerkennen und dass die Einführung von Investor-Staats-Streitbeilegungsverfahren durch das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ keine Hindernisse für die vollständige Einhaltung des Übereinkommens darstellt.
Der englische Text im Original:
Extraterritorial State obligation
The Committee is concerned about:
1. The negative impact of the conduct of transnational companies, in particular textile and large scale agricultural corporations, registered or domiciled in the State party and operating abroad on the enjoyment of the rights enshrined in the Convention by local women and girls in third States;
2. The inadequate legal framework to hold companies and corporations registered or domiciled in the State party accountable for violations of women’s human rights abroad and the lack of a gender perspective in the 2016 National Action Plan on Business and Human Rights;
3. The absence of an effective independent mechanism with powers to investigate complaints alleging violations by such corporations, for instance allegations of forced evictions by German companies based abroad; and the limited access to judicial remedies by women victims of such violations;
4. The lack of impact assessments explicitly taking into account women’s human rights prior to the negotiation of international trade and investment agreements.
The Committee recommends that the State party:
1. Strengthen its legislation governing the conduct of corporations registered or domiciled in the State party in relation to their activities abroad, including by requiring those corporations to conduct human rights and gender impact assessments prior to making investment decisions;
2. Introduce effective mechanisms to investigate complaints filed against those corporations, with a mandate to, inter alia, receive complaints and conduct independent investigations and incorporate a gender perspective into the 2016 NAP;
3. Adopt concrete measures, including a redress mechanism to facilitate access to justice for women victims of human rights violations and ensure that judicial and administrative mechanisms are in place take into account a gender perspective; Ensure that trade and investment agreements negotiated by the State party recognize the primacy of its international human rights obligations over investors’ interests, and that the introduction of investor-State dispute settlement procedures through the Comprehensive Economic and Trade Agreement does not create obstacles to full compliance with the Convention.