Eine Gemeinde in der sambischen Western Province verlor durch ein von der Afrikanischen Entwicklungsbank finanziertes Wasserprojekt ihr Land. Häuser wurden zerstört. Sicherheitskräfte übten wiederholt Gewalt aus. FIAN Zambia dokumentierte die Menschenrechtsverletzungen und stellte den 106 betroffenen Familien einen Rechtsbeistand zu Verfügung. Hierdurch konnte vor Gericht ein Vergleich erzielt werden: Die Vertriebenen erhielten Ersatzland und eine finanzielle Kompensation. Inzwischen haben sie ihre neuen Häuser bezogen.
Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) finanziert in Sambia zahlreiche Projekte zur Wasserversorgung. Hierzu gehören Bohrungen der staatlichen Western Water and Sewerage Company in den Außenbezirken der Provinzhauptstadt Mongu. Die Stadt mit rund 330.000 Einwohner*innen liegt im Westen des Landes, nahe der angolanischen Grenze.
Für die Baumaßnahmen wurde eine Fläche benötigt, die sich im Besitz der Gemeinde Kasima befand. Diese umfasst 106 Familien mit rund 600 Personen. Die Gemeinde verfügt über Landbesitzurkunden, die von der Barotse Royal Establishment nach traditionellem – und staatlich anerkanntem – Recht ausgestellt worden waren.
Zerstörung von Häusern und Einsatz von Tränengas
Gespräche zwischen der Firma und den Betroffenen führten zunächst zu einer Einigung über die Bereitstellung von Ersatzland sowie einer finanziellen Entschädigung. Die Betroffenen stimmten daraufhin einer Umsiedlung zu. Tatsächlich erfolgte jedoch keine Kompensation.
Dennoch fuhr die Firma fort, Bohrungen vorzunehmen und Infrastruktur zu errichten. Ohne Konsultation der Gemeinde wurde das Gelände eingezäunt und wurden Tore installiert – teilweise wurde dadurch selbst der Schulbesuch, das Wasserholen und das Aufsuchen von Toiletten unmöglich. Einige Betroffene verloren ihren Arbeitsplatz. Alle baulichen Aktivitäten wurden von bewaffneten Polizeikräften begleitet. Die Gemeinde verlangte wiederholt Informationen über die Entschädigung, wurde jedoch mit Schlägen und Verhaftung bedroht. Zwei Gemeindevorsteher versteckten sich zwei Wochen lang im Wald.
Am 14. Februar 2023 forderten Beamte des Gemeinderats von Mongu – in Anwesenheit bewaffneter Polizisten – die Betroffenen auf, ihre Häuser zu verlassen. Als Begründung wurde auf das versprochene Alternativland verwiesen. Eine Woche später wurden die über einhundert Familien dann gewaltsam vertrieben: Sie wurden mit Tränengas beschossen und geschlagen, ihre Häuser niedergerissen. Weder erhielten die Betroffenen Ersatzland, noch neue Häuser oder eine finanzielle Kompensation.
Vladimir Chilinya von FIAN Zambia erläutert: „Obwohl in Sambia sowohl gewohnheitsrechtliche als auch staatliche Landbesitzsysteme rechtlich anerkannt sind, werden die Inhaber traditioneller Landtitel häufig diskriminiert. Dies trägt zu Menschenrechtsverletzungen in Form von Zwangsräumungen, Landraub und Vertreibungen bei.“
Unterschiedliche Formen der Landverwaltung
Die Barotse Royal Establishment ist die Verwaltung der Western Province, an deren Spitze der Litunga steht, das traditionelle Oberhaupt der Gemeinschaften im Westen Sambias.
Landflächen standen in Sambia bis in die frühen 2000er Jahre fast vollständig unter traditioneller Verwaltung. Lokale Gemeinschaften konnten über die Nutzung verfügen. Die traditionellen Oberhäupter – die chiefs – genehmigen Nutzungsanfragen der Gemeindemitglieder und überwachen die Verteilung von Land. Insgesamt gibt es in Sambia 288 chiefdoms.
Gleichzeitig ist aber alles Land formell im Staatsbesitz, mit dem Präsidenten als Treuhänder. Der Staat weitet – auch mit Hilfe internationaler Geber – den privatrechtlichen Besitz von Land immer weiter aus. Beispielsweise über sogenannte farm blocks. Dieser duale Charakter der Landverwaltung zwischen traditionellen und zentralstaatlichen Landrechten ist für viele afrikanische Länder typisch.
FIAN finanziert Rechtsbeistand
FIAN Zambia führt regelmäßig menschenrechtliche Schulungen und Workshops durch – für NGOs, aber auch für Abgeordnete oder Journalist*innen. Ein Journalist aus dem Westen des Landes, der an den Trainings teilgenommen hatte, berichtete im einem lokalen TV-Sender über den Fall und machte FIAN auf die Situation aufmerksam.
FIAN Zambia kooperiert häufig mit der auf Landrechte spezialisierten Kanzlei CC Gabriel. Im Juni `23 besuchte FIAN zusammen mit Vertretern der Kanzlei die Gemeinde, um die Umstände der Vertreibung zu dokumentieren. Auf Wunsch der 106 betroffenen Haushalte beauftragte FIAN die Kanzlei mit der juristischen Klärung des Falls. Die Bezahlung konnte FIAN über eine Stiftung sicherstellen.
CC Gabriel verklagte daraufhin den Stadtrat von Mongu. Das Gericht nahm den Fall an, woraufhin die Western Water and Sewerage Company eine außergerichtliche Entschädigung anbot. Die Vertriebenen stimmten einer Einigung prinzipiell zu. Wegen der vorherigen Erfahrungen verlangten sie aber, dass diese gerichtlich dokumentiert würde.
Neue Häuser errichtet
Im Juli 2023 reisten FIAN Zambia und CC Gabriel erneut nach Mongu. Bereits während des Aufenthalts konnte eine Vereinbarung zwischen der Wasserbehörde, dem Stadtrat und den Betroffenen geschlossen werden. Jedem Haushalt wurde hierin eine Fläche „so nah wie möglich an der bisherigen Größe“ zuerkannt – durchschnittlich 50 x 50 m, also ¼ Hektar. Das Ersatzland müsse innerhalb von zwei Monaten zu Verfügung gestellt werden. Zusätzlich wurde eine finanzielle Kompensation für den Bau neuer Häuser sowie für zerstörtes Eigentum festgelegt. Die Einigung wurde vom Gericht in Mongu offiziell festgehalten.
Bis Ende November hatten alle betroffenen Haushalte eine vollständige Entschädigung sowie alternatives Land erhalten. Die meisten Familien sind bereits in neue Häuser umgezogen. Mit der Einigung und der Höhe der Entschädigung zeigten sie sich zufrieden.