Greenwashing wird von Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen genutzt. Dabei gilt: „Wenn man etwas nur oft genug wiederholt, wird es schließlich als Wahrheit akzeptiert.“ So titelt Kathrin Hartmann „Autofahren für den Klimaschutz“ und beschreibt damit, wie die westliche Welt die Augen vor der Realität verschließt. Denn hinter dem vermehrt „nachhaltigen“ Auftreten großer Firmen versteckt sich meist nicht etwa eine ökologische oder soziale Komponente, sondern schlichtweg Propaganda. Dies führt dazu, dass viele Menschen, die sich selbst als umweltbewusst bezeichnen und es aufgrund ihres Bildungsniveaus eigentlich besser wissen sollten, einen besonders hohen Ressourcenverbrauch aufweisen. Das alles auf Kosten des globalen Südens. Denn während wir in Deutschland so haushalten, als hätten wir 3,1 Erden zu Verfügung, fehlt es anderen Teilen der Welt an den grundlegendsten Ressourcen.
In „Die Grüne Lüge – Weltrettung als profitables Geschäftsmodell“ deckt Kathrin Hartmann schonungslos Schwächen, Fehler und Lügen von angeblichen Umweltschutz-Maßnahmen auf. Dabei wartet Sie mit zahlreichen beängstigenden Fakten und selbst erlebten Beispielen auf. Zwar lassen einige Aussagen der Autorin einen klaren roten Faden vermissen, und nicht immer werden die Leser*innen genügend in die jeweilige Problematik eingeführt. Möglicherweise lohnenswerte Ansätze werden lediglich auf Schwächen abgeklopft – darunter beispielsweise das Modelabel G-Star mit der Linie „Raw for the Ocean“ von Pharrell Williams, das aus Meeresplastik Kleidung herstellen will. Hartmann weist in erster Linie auf die schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne der Näherinnen hin. Ob eine aus Meerplastik hergestellte Jeans jedoch geeignet ist, zumindest die Weltmeere zu entlasten wird letztlich nicht beantwortet.
Nichtsdestotrotz beweist Kathrin Hartmann eindrücklich, dass die vermehrt aufbrandenden schönen Ideen zur Weltrettung an den zugrunde liegenden Problemen vorbeizielen und damit sogar eine Legitimierung für das zerstörerische Konsumverhalten der westlichen Welt bieten. Und auch politische Aktivitäten wie die Entwicklung von Gütesiegeln oder die Förderung von Elektroautos haben häufig kontraproduktive Wirkungen. Eine ökologische Nachhaltigkeit hierzulande durch Elektroautos ignoriert beispielsweise die sozialen und ökologischen Bedingungen in den Kobalt-Minen der Produktionsländer. Diese sind für die Produktion von Akkus jedoch unabdingbar.
Konsequenterweise kommt Kathrin Hartmann zu dem einzig möglichen Schluss: ein nachhaltiges Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand ist nicht möglich, schon gar nicht durch „grünen Konsum“. Vielmehr bedarf es eines Umdenkens von Konsumverhalten und Ansprüchen an den Lebensstandard – und letztlich einer Bekämpfung des gegenwärtigen Kapitalismus. Der grünen Lüge müsse laut Kathrin Hartmann im Kollektiv entgegengetreten werden. Dabei ist jeder Einzelne gefragt und kann durch kleine Beiträge ein Bewusstsein schaffen und damit einen Unterschied machen. Leider gelingt es der Autorin nicht immer, die Thematik noch weiter praktisch runter zu brechen und die einfachen Bürger*innen mitzunehmen. Denn warum würde jemand der, wie sie selbst zuvor angeprangert hat, nicht einmal den eigenen Konsum überdenkt, beim gemeinsamen Widerstand, Bürgerinitiativen, Kämpfen um autofreie Städte oder gar der Besetzung eines Kohletagebaus mitwirken? Zur Analyse der Greenwashing-Mechanismen von Industrie und Politik bietet das Buch dennoch einen gelungenen Einblick.