Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem neuen FoodFirst, dem FIAN-Mitgliedermagazin. Er wurde von Mathias Pfeifer geschrieben. Sie sind neugierig auf weitere spannende Artikel geworden? Das FoodFirst-Magazin können Sie hier abonnieren. Oder sichern Sie sich ein kostenloses Probeexemplar in gedruckter Form. Schreiben Sie einfach eine E-Mail an info@fian.de.
Anfang März besuchte der FIAN-Südostasienreferent indigene Gemeinden auf der Insel Flores. Diese sind von negativen Auswirkungen eines Geothermie-Kraftwerks betroffen, darunter Landkonflikte, Ernteeinbrüche sowie erhöhte Gefahr von Erdrutschen. Das von der KfW Entwicklungsbank finanzierte Kraftwerk soll nun nochmals erweitert und vergrößert werden. Die indigenen Gemeinden lehnen dies entschieden ab. Ihr Widerstand gegen das Projekt wird mit Einschüchterung und Polizeigewalt beantwortet.
Die Insel Flores, Teil der Kleinen Sundainseln im Osten Indonesiens, ist in Deutschland vor allem durch die dort heimischen Komodowarane bekannt. In der an den Komodo-Nationalpark angrenzenden Küstenstadt Labuan Bajo boomt seit einigen Jahren der Tourismus. Hunderttausende Besucher*innen aus aller Welt drängen sich mittlerweile jedes Jahr in dem vormals verschlafenen Fischerort. Die Fischersiedlungen entlang der Strandpromenade mussten in jüngster Zeit Hotelanlagen und Einkaufszentren weichen.
Der Strom für die dröhnenden Klimaanlagen kommt zum Teil aus Geothermiekraftwerken im Inneren der Insel. Flores liegt auf dem Pazifischen Feuerring, einer geologisch äußerst aktiven Erdregion. Zahlreiche aktive und schlafende Vulkane säumen die gebirgige Insel. Die Kraftwerke nutzen die Erdwärme und sollen saubere erneuerbare Energie erzeugen. Doch die Sache hat einen Haken: Für die lokalen Kleinbäuer*innen und indigenen Gemeinden, auf deren Land die Kraftwerke gebaut und die Tiefenbohrungen durchgeführt werden, ergeben sich oft gravierende negative Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, die Ernährungssicherheit und die Gesundheit.
Auswirkungen des Geothermal-Kraftwerks auf die Ernährungslage
Im März besuchte FIAN gemeinsam mit der indonesischen Umweltorganisation WALHI NTT (Indonesisches Umweltforum) indigene Gemeinden in der Umgebung des von der KfW Entwicklungsbank finanzierten Geothermiekraftwerks Ulumbu in Poco Leok. Die indigenen Manggarai wehren sich mit aller Kraft gegen die Pläne des staatlichen Energieversorgers PLN, das Kraftwerk Ulumbu weiter auszubauen. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2012 verzeichnen die lokalen Gemeinden einen deutlichen Rückgang der Ernteerträge – vor allem beim Kaffeeanbau, der bisher die Haupteinnahmequelle für viele Kleinbäuer*innen in den 14 Dörfern von Poco Leok war.
Auch die Erträge aus dem Obst- und Gemüseanbau, der vor allem dem Eigenbedarf dient, sind stark zurückgegangen. Durch die Tiefenbohrungen der Geothermiekraftwerke werden Gase wie Schwefelwasserstoff (H2S) in die Umwelt freigesetzt. Die lokale Bevölkerung vermutet, dass sich die Gase negativ auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken. Ein Indiz dafür, dass die Dörfer tatsächlich einer erhöhten chemischen Belastung ausgesetzt sind, ist beispielsweise die seit 2012 deutlich schnellere und stärkere Oxidation der Wellblechdächer in den Dörfern.
Durch den Rückgang der Ernteerträge, insbesondere bei Kaffee, sind die Einkommen in den Gemeinden deutlich gesunken. Viele Familien können es sich zum Beispiel nicht mehr leisten, ihre Kinder auf eine weiterführende Schule außerhalb von Poco Leok zu schicken. Da auch weniger Nahrungsmittel für die Eigenversorgung zur Verfügung stehen, müssen die Familien Lebensmittel zukaufen, was eine zusätzliche Belastung darstellt. Lokale Kleinbäuer*innen berichteten FIAN, dass sie es sich heute oft nicht mehr leisten können, drei Mahlzeiten am Tag zu essen. Vor der Inbetriebnahme des Geothermiekraftwerks sei es dagegen kein Problem gewesen, ausreichende und ausgewogene Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen.
Die Anwohner*innen klagen zudem über vermehrte Hautausschläge, insbesondere bei Kindern. In anderen Regionen Indonesiens kam es bereits zu Todesfällen und schweren Erkrankungen, nachdem giftige Gase bei Geothermie-Kraftwerken entwichen waren. Die Bohrungen können aber auch Erdbeben und Erdrutsche auslösen. In der Bergregion Poco Leok mit ihren steilen Gebirgsketten und tiefen Tälern bereitet das vielen Menschen große Sorgen. Nun sollen zahlreiche neue Bohrungen durchgeführt werden.
Widerstand gegen geplanten Ausbau
Der staatliche Energieversorger PLN plant – mit finanzieller Unterstützung der KfW Entwicklungsbank – das Geothermiekraftwerk Ulumbu von 10 auf 40 Megawatt zu erweitern, wofür zahlreiche neue Bohrungen auf dem Land der Gemeinden notwendig sind. Die große Mehrheit der indigenen Bevölkerung in Poco Leok lehnt die Erweiterung strikt ab und verweigert PLN ihre „freie, vorherige und informierte Zustimmung“ (FPIC) für das Projekt.
Die Gemeindemitglieder kritisieren, dass ihre Bedenken und negativen Erfahrungen von den Behörden nicht ernst genommen und sie nicht ausreichend über die Risiken der geplanten Erweiterung informiert werden.
FIAN nahm Anfang März an einer öffentlichen Gemeindekonsultation mit der unabhängigen indonesischen Menschenrechtskommission Komnas Ham teil. Dort erklärten die traditionellen Führer von 10 der insgesamt 14 Dörfer in der Region, dass sie und ihre Gemeinden das Projekt ablehnen. Zwischen Februar und November organisierten die betroffenen Gemeinden 23 Protestaktionen. Die Polizei reagierte darauf mit unverhältnismäßiger Gewalt und Einschüchterung. Mehrere Gemeindemitglieder wurden verletzt. Frauen berichten von sexuellen Übergriffen durch Sicherheitskräfte. 19 Gemeindemitglieder wurden nach Protesten von der Polizei vorgeladen. Im Mai 2024 erhielten fünf Dorfbewohner*innen, auf deren Land Bohrungen durchgeführt werden sollen, eine Vorladung vom Gericht: der Energieversorger PLN versucht, sie gerichtlich zu zwingen, ihr Land abzutreten und die vorgeschlagene Entschädigung zu akzeptieren.
Verantwortung der KfW Entwicklungsbank
Die KfW Entwicklungsbank finanziert seit einigen Jahren das Geothermiekraftwerk Ulumbu. Laut einer Pressemitteilung von PLN aus dem Jahr 2018 hat die KfW damals eine Unterstützung von 150 Millionen Euro für die Kraftwerke Ulumbu und Mataloko auf Flores zugesagt. Die KfW will nun auch die Erweiterungen finanzieren. Im Februar 2023 besuchten Mitglieder des Vorstands der KfW Bankengruppe das Kraftwerk Ulumbu und unterzeichneten in Jakarta eine gemeinsame Erklärung mit PLN über eine Förderung von 670 Millionen Euro für mehrere Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien, darunter offenbar auch die Erweiterung des Standorts Ulumbu. Insgesamt finanziert die KfW mit rund drei Milliarden Euro Projekte in Indonesien.
Seitdem haben sich Gemeindemitglieder und zivilgesellschaftliche Akteure wiederholt mit Briefen, Pressemitteilungen und einer Protestaktion an die KfW und die deutsche Botschaft in Jakarta gewandt. In zwei Briefen an die KfW haben die Gemeinden ihren Widerstand deutlich gemacht und darum gebeten, dass sich die KfW selbst vor Ort ein Bild von der Lage macht und mit den betroffenen Gemeinden in Kontakt tritt. Bislang hat die Entwicklungsbank auf die Forderungen nicht reagiert.
In der Grundsatzerklärung der KfW zu Menschenrechten vom April 2023 heißt es: „KfW schützt und achtet die internationalen Menschenrechte in ihrem Einflussbereich und setzt geeignete Verfahren ein, um die Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen für sich auszuschließen“. Die KfW muss nun sicherstellen, dass sie im Kontext der Finanzierung des Geothermiekraftwerks Ulumbu diesen Prinzipien treu bleibt. Insbesondere müssen die Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung indigener Völker wie der Manggarai in Poco Leok gemäß der von der Bundesregierung ratifizierten ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker eingehalten werden.