Köln, 14. August 2013. Am 25. Juni 2013 hat FIAN Deutschland einen Brief von Entwicklungsminister Niebel erhalten. Diesen werten wir als Aufforderung, unsere menschenrechtliche Arbeit zur Unterstützung der Vertriebenen der Kaweri Kaffee Plantage und damit unsere Kritik an dem Verhalten der Neumann Kaffee Gruppe einzustellen. Wir haben auf diesen Brief am 31. Juli 2013 geantwortet und beide Briefe veröffentlicht. Dieser Schritt war aus unserer Sicht erforderlich, um uns gegen diesen befremdlichen Eingriff in die Meinungsfreiheit, der potentiell auch weitere Organisationen in Deutschland betrifft, zu verwehren.
1. Niebel wirft FIAN vor, „Maß und Mitte“ nicht zu wahren
Bisher wurde keine Aussage oder Handlung von FIAN explizit benannt, aus der sich dieser Vorwurf ableiten lassen könnte. FIAN begleitet die Entwicklungen im Fall der Vertreibung für die Kaweri Kaffee Plantage seit zwölf Jahren unter anderem durch Öffentlichkeitsarbeit. Unter Kaweri/Uganda sind alle öffentlichen Äußerungen FIAN Deutschlands der letzten neun Monate dokumentiert, zudem findet sich dort eine Chronologie des Falles und weitere Stellungnahmen von FIAN aus den letzten Jahren. Eine unverhältmäßige Berichterstattung zum Fall wird sich dort nicht finden.
2. Niebel wirft FIAN vor, der ugandischen Kaffeewirtschaft zu schaden
Niebel behauptet, dass durch einen Boykott deutscher Kaffeehändler, der angeblich auf unsere Aktivitäten zurück zu führen sei, mehr ugandische Kleinbauern zu Schaden kommen, als für die Kaweri-Plantage vertrieben worden seien. Auch hier bleibt Niebel einen Nachweis schuldig. Viel gewichtiger ist jedoch, dass Niebel damit die Ansicht zu vertreten scheint, dass die Interessen einer Mehrheit das Ausbleiben von Wiedergutmachung für eine Minderheit rechtfertigen kann. Dies widerspricht grundlegenden Menschenrechtsprinzipien. Darüber hinaus weisen wir noch einmal darauf hin, dass der Kaweri-Fall auch exemplarisch für weitere Vertreibungsfälle in Uganda steht. Auch aus diesem Grund macht eine Aufrechnung keinerlei Sinn.
3. Niebel spricht von angeblich „sehr konstruktivem Dialog“ mit der Nationalen Kontaktstelle für die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen
Von einem „sehr konstruktiven Dialog“ kann aus unserer Sicht nicht die Rede sein: Erst eineinhalb Jahre nach Einreichung der Beschwerde fand ein erstes und – zu unserer Überraschung – letztes Gespräch zwischen der NKS, mehreren VertreterInnen der Neumann Kaffee Gruppe und einem Vertreter der Vertriebenen in Berlin statt. Zuvor hatte das Unternehmen alle konkreten Vorschläge abgelehnt, die Organisation Wake Up and Fight for Your Rights, eine Gruppe, in der sich viele Vertriebene zusammen geschlossen haben, und FIAN zur Klärung der strittigen Fragen unterbreitet hatten. Darüber hinaus beteiligte sich das Unternehmen nicht an den parallel eingeleiteten Gesprächen zu einer außergerichtlichen Einigung in Uganda. Auch blieben die Anwälte des Unternehmens mehreren der in diesem Zeitraum angesetzten Gerichtsterminen fern.
FIAN hat in seiner Stellungnahme an die NKS deutlich gemacht, dass die Einstellung des Verfahrens zum damaligen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt und für die Lösung des Falles sogar kontraproduktiv war. Zudem kann nicht von einer gründlichen Untersuchung des Falls durch die NKS gesprochen werden. Dafür hätte sich die NKS mindestens vor Ort ein Bild von der Lage machen müssen und dabei vor allem mit den von der Vertreibung betroffenen Gemeinden das Gespräch suchen müssen. Die 2011 getätigte Aufforderung der NKS an FIAN und die Vertriebenen, die Öffentlichkeitsarbeit einzustellen, war schon damals ein Skandal und wird dadurch nicht besser, dass Niebel diese Aufforderung wiederholt.
4. Niebel vertritt die Position, dass die Neumann Kaffee Gruppe keine menschenrechtliche Verantwortung trägt
Die UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten betonen die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen, Menschenrechte in allen ihrem Handeln zu respektieren. So hat die Neumann Kaffee Gruppe die Verantwortung, negative Auswirkungen ihres Handelns auf Menschenrechte zu vermeiden und in Zusammenhang mit ihren Aktivitäten oder Unterlassungen erfolgte Menschenrechtsverstöße wiedergutzumachen.
Die Neumann Kaffee Gruppe war substantiell und (entgegen der Darstellung des Ministers) weit bevor sie das Land von der ugandischen Regierung übertragen bekommen hatte, in die Situation vor Ort involviert. Die Neumann Kaffee Gruppe hatte sich nach Analyse der örtlichen Gegebenheiten für den Aufbau der Kaweri-Plantage im Bezirk Mubende entschieden. Ihr war bekannt, dass das Land bewohnt war. Für das Zustandekommen der Investition forderte sie daher von der ugandischen Investitionsbehörde, dass das Land bei Übergabe unbewohnt und frei von Ansprüchen Dritter sein müsse, sowie dass alle rechtmäßigen BewohnerInnen entschädigt werden müssten. Diese drei Bedingungen, die von der Neumann Kaffee Gruppe für das Zustandekommen der Investition aufgestellt wurden, reichen für die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen aber nicht aus. Die Kaweri-Manager, die vorab von der Vertreibung erfahren hatten, hätten den ugandischen Regierungsvertretern deutlich machen müssen, dass das Unternehmen keine gewaltsame Vertreibung akzeptieren würde. Weiterhin hat das Unternehmen nach der Vertreibung zwar in eingeschränktem Rahmen Nothilfe geleistet, es hat aber durch seine Versuche, das Gerichtsverfahren zu stoppen und zu verzögern, auch eine Wiedergutmachung verzögert.