Brutaler Landkonflikt von Marina Kue auf der Tagesordnung
Berlin und Köln, 19.1.2016. Paraguay muss sich am morgigen Tag im Rahmen der periodischen Berichterstattung den Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrates in Genf Rede und Antwort stehen. Auf der Tagesordnung steht auch der sogenannte Fall von Marina Kue, der die Amtsenthebung (den so genannten „parlamentarischen Putsch“) gegen den damaligen Präsidenten Fernando Lugo eingeleitet hatte. Dieser Fall stellt einen der schwersten Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Kriminalisierung von sozialen Bewegungen der letzten Jahre in der Region dar. Die Organisationen FIAN und FDCL, die den Fall seit 2012 begleiten, erhoffen sich vom Menschenrechtsrat positive Impulse für den Fall und die betroffenen Bauern und Bäuerinnen.
In Paraguay verschärft sich seit einigen Jahren die Lage von MenschenrechtsverteidigerInnen. Insbesondere bei Landkonflikten werden sie oft massiv kriminalisiert, also bedroht oder ihr Handeln rechtlich oder physisch unterbunden. Der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt durch die Polizei sowie die völlige Straflosigkeit bei staatlichen Übergriffen, die Nicht-Einhaltung von rechtsstaatlichen Standards bei der juristischen Verfolgung der BesetzerInnen von Marina Kue und die Kriminalisierung von MenschenrechtsverteidigerInnen hat Signalwirkung auf all die Menschen, die ihr Recht auf Land einfordern wollen. Zugleich zeigt dieser Fall auch die Tragweite von Einfluss und Macht der Großgrundbesitzer und der Agrobusiness-Lobby.
Hintergrund:
Am 15. Juni 2012 versuchte die Polizei eine Landbesetzung in Marina Kue, in der nördlichen Provinz Curuguaty, aufzulösen. Dabei starben 17 Personen, unter ihnen elf Bauern und sechs Polizisten. Im Dezember 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwölf inhaftierte BäuerInnen wegen versuchten Totschlages, Landfriedensbruchs und krimineller Vereinigung. Allerdings untersucht die Staatsanwaltschaft seitdem nur den Tod der Polizisten, nicht aber die Umstände des Todes der Bauern. Die Untersuchungen und der Gerichtsprozess haben zudem die Parteilichkeit der paraguayischen Justiz und die Rechtlosigkeit der Menschen, die ihre elementaren Menschenrechte verteidigen wollen, offenbart.
FIAN Deutschland und FDCL appellieren seit mehreren Jahren an die Bundesregierung, die auch im Menschenrechtsrat sitzt, sich insbesondere einzusetzen für:
Die Garantie eines rechtsstaatlichen Verfahrens und unabhängige Justiz im Hinblick auf die im Falle von Marina Kue angeklagten BäuerInnen.
Die Gewährleistung des Schutzes von MenschenrechtsverteidigerInnen
Untersuchung von außergerichtlichen Hinrichtungen von BäuerInnen sowie die Verurteilung der Verantwortlichen. Von 1989 -2013 soll es laut Menschenrechtsorganisationen in 113 Fällen zu außergerichtlichen Hinrichtungen gekommen sein, aber in nur 8 Fällen kam es zu einer Verurteilung.
Das Recht indigener Völker und KleinbäuerInnen auf Land, auch wenn sie nicht im Besitzt von formellen Landtitel sind, da dies die Grundlage für das Recht auf Nahrung ist.
Hintergrundinfo:
– Landkonflikte stellen bis heute das größte soziale Konfliktpotential in Paraguay dar. Auch wenn das Recht auf Land in der Nationalen Verfassung von 1992 verankert ist, wurden kaum öffentliche Programme in die Wege geleitet, um dieses Recht umzusetzen. Landlose haben nur in Ausnahmefällen und nur aufgrund politischen Drucks neue Ländereien zugestanden bekommen; Landbesetzungen sind hierbei die wirkungsvollste Strategie.
– Paraguay hat die höchste Landkonzentration in Südamerika: 2,6% der Bevölkerung kontrolliert 85,5% des Landes, während 91,4% der Bevölkerung nur 6% des Landes zur Verfügung steht.
Link zu offiziellen Dokumenten: United Nations Human Rights Office
Kontakt:
Regine Kretschmer, Lateinamerikaexpertin, r.kretschmer(ät)fian.de