Köln, 16. August 2016 — Am 18. August jährt sich zum fünfzehnten Mal die gewaltsame Vertreibung von 4.000 Menschen durch die ugandische Armee zugunsten der Kaweri Coffee Plantation Ltd. in Uganda. Die Plantage gehört zur Hamburger Neumann Kaffee Gruppe. Die Vertriebenen kämpfen bis heute um Entschädigung für den Verlust ihres Besitzes und um die Wiederherstellung ihrer Rechte. FIAN Deutschland fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber der Regierung Ugandas für eine umfassende Entschädigung und Wiederherstellung der Rechte der Vertriebenen einzusetzen, entsprechend der Empfehlungen des Sozialausschusses der Vereinten Nationen vom Juni 2015.
Vom 18. bis zum 21. August 2001 machte die ugandische Staatsarmee die vier Dörfer Kitemba, Luwunga, Kijjunga und Kiryamakobe im Bezirk Mubende dem Erdboden gleich. Die Regierung verpachtete das Land an die Kaweri Coffee Plantation Ltd., einer 100%igen Tochterfirma der Hamburger Neumann Gruppe GmbH.
Die Soldaten walzten mit Bulldozern Häuser nieder, zündeten Viehställe an und plünderten Lebensmittelvorräte. Die rund 4.000 Bewohner mussten während der Regenzeit schutzlos und ohne angemessenen Zugang zu Trinkwasser in den umliegenden Wäldern kampieren. Einige Vertriebene starben an den Folgen der gewaltsamen Vertreibung. Grundschüler konnten ein Jahr lang nicht zur Schule gehen, da die Kaweri Coffee Plantation die Grundschule in Kitemba zu ihrem Verwaltungssitz umfunktionierte und eine neue Schule erst ein Jahr später gebaut wurde. “Infolge der gewaltsamen Vertreibung werden die sozialen Menschenrechte der Vertriebenen bis heute vielfach verletzt”, so FIAN-Referentin Gertrud Falk. FIAN unterstützt den Kampf der Betroffenen seit 2002.
Rund die Hälfte der Vertriebenen kämpft seit dem Gewaltakt mit friedlichen Mitteln für eine Wiedergutmachung. Unter anderem verklagten die Geschädigten die ugandische Regierung und die Kaweri Coffee Plantation. Das Verfahren wird jedoch verschleppt: Erst im März 2013 – 11 Jahre nach Einreichung der Klage – fällte das Hohe Gericht in Kampala ein erstes Urteil und sprach den Vertriebenen Entschädigungszahlungen von umgerechnet 11 Millionen Euro zu. Das Unternehmen hat hiergegen jedoch Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat den Fall an das Hohe Gericht zurückverwiesen. Das gegenwärtig dort erneut laufende Verfahren verzögert die Entschädigung der Betroffenen weiter. „Das Menschenrecht der Betroffenen auf Zugang zu juristischen Verfahren wird durch die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer massiv verletzt”, kritisiert Gertrud Falk. Dies hat im Juni 2015 auch der UN-Sozialausschuss in seinen abschließenden Bemerkungen zur Lage der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte in Uganda festgestellt. Der Ausschuss hatte den ugandischen Staat aufgefordert, sicherzustellen, dass die Rechte der Vertriebenen wieder hergestellt werden.
Die Bundesregierung hat sich in dem Fall bisher einseitig auf die Seite der Neumann Kaffee Gruppe gestellt, zum Beispiel in der Abschlusserklärung der Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und in einem Brief des ehemaligen Entwicklungsministers Dirk Niebel an FIAN Deutschland.
Der auf der Plantage gezahlte Tageslohn in Höhe von umgerechnet 0,95 Euro liegt unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar (1,12 €). Laut Aussagen von Vertriebenen zahlen Bauern in der Region ihren Landarbeitern eine Tagessatz von 1,31 €. “Unsere Recherchen haben ergeben, dass viele Vertriebene bis heute weder ausreichenden Zugang zu Land noch zu Arbeitseinkommen haben, um sich und ihre Familien selbst zu versorgen”, empört sich Falk. „Insbesondere ältere Frauen und Kinder leiden weiterhin unter Hunger und Mangelernährung.“
Nach Ansicht von FIAN zeigt der Fall exemplarisch, dass die Bundesregierung dringend gesetzliche Möglichkeiten schaffen muss, deutsche Mutterkonzerne für die Beteiligung ihrer im Ausland registrierten Tochterfirmen an Menschenrechtsverletzungen zu verklagen. Diese Möglichkeit steht den Vertriebenen der Kaweri Coffee Plantation bislang nicht offen. „Deutschland verletzt damit seine extraterritorialen Staatenpflichten”, beurteilt Falk diesen Mangel.
ERGÄNZUNG: Nach Veröffentlichung dieser Pressemitteilung hat uns die Neumann Gruppe GmbH darüber informiert, dass sie den Lohn für einen festgelegten Arbeitsumfang auf 4065 Ugandische Schilling erhöht habe, was zurzeit umgerechnet etwa 1,21 US-Dollar entspreche. Diese Arbeitsleistung sei in 4-5 Stunden leistbar, so dass ArbeiterInnen Tageslöhne erzielen könnten, die über der von der Weltbank festgelegten Armutsgrenze liegen.
FIAN sagt dazu, dass die Anhebung des Lohns begrüßenswert ist, aber nicht ausreicht. Denn viele Vertriebene berichten, dass sie den festgesetzten Arbeitsumfang nicht an einem Tag leisten können, da sie zu schwach seien. Sie bekämen dann die entsprechende Summe nicht voll ausgezahlt. Viele Vertriebene leiden seit der Vertreibung an Mangelernährung. Sie können oft nur eine Mahlzeit pro Tag essen und sich nur einseitig mit Mais ernähren.
Ausführliche Informationen sowie die angeführten Dokumente finden Sie unter: www.fian.de/fallarbeit/kaweriuganda