Der deutsche Abgeordnete des Europa Parlaments Axel Voss (CDU/EVP), der im Rechtsausschuss sitzt möchte das EU-Lieferkettengesetz völlig unwirksam machen.
Am 30. November 2022 veröffentlichte er 198 teils weitreichende Abänderungen zum aktuellen Gesetzesentwurf der EU-Kommission. Der EVP-Entwurf fällt sogar hinter das ohnehin schwache deutsche Lieferkettengesetz zurück– ein gefährlicher Schritt, der die hart erkämpften Verbesserungen in den Geschäften deutscher Unternehmen unwirksam machen würde. Am 23. März stimmt der entscheidende Rechtsausschuss (JURI) seine Position ab – hierbei kommt Axel Voss als Schattenberichterstatter eine entscheidende Position zu.
Da können wir nicht tatenlos zusehen und schließen uns der Briefaktion der Initiative Lieferkettengesetz an –>
In folgendem Brief fragen wir Herrn Voss nach seinen Beweggründen und erklären unmissverständlich warum seine Ambitionen falsch sind und was im Lieferkettensetz auf keinen Fall gestrichen werden darf.
Machen auch Sie mit! Senden Sie den Brief mit Ihrer Unterschrift an Herrn Voss an die darin angegebene Adresse.
Herrn Axel Voss MdEP
ASP 15 E 146, Rue Wiertz
B-1047 Brüssel
Köln, 01.02.2023
Menschenrechte und Umweltschutz in Lieferketten: Warum möchten Sie das EU-Vorhaben wirkungslos machen, Herr Voss?
Sehr geehrter Herr Voss,
die Europäische Union hat sich zum Schutz der Menschenrechte und einer globalen nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Im Angesicht der aktuellen Krisen sind diese Ziele wichtiger denn je. Doch europäische Unternehmen stehen leider häufig für das Gegenteil: Viel zu oft nehmen sie in ihren Wertschöpfungsketten gefährliche Arbeitsbedingungen, ausbeuterische Kinderarbeit oder zerstörte Regenwälder in Kauf, obwohl sie durch ihre Marktmacht die Möglichkeit hätten, diese Zustände zu beeinflussen. Den Preis dafür zahlen die Menschen, die Umwelt, das Klima – und letztlich wir alle.
All das muss nicht so sein. Die EU hat die historische Chance, diesen Zuständen mit einem wirksamen EU-Lieferkettengesetz ein Ende zu setzen. Im vergangenen Jahr haben sich die Kommission und der Rat zu dem Vorhaben positioniert. Jetzt kommt es auf die Position des Europaparlaments an. Doch wir sind entsetzt über die Vorschläge, die Sie und andere Vertreter*innen der Europäischen Volkspartei (EVP) im Rechtsausschuss eingebracht haben. Ihre Vorschläge würden das Vorhaben nahezu wirkungslos machen. Selbst das ohnehin lückenhafte deutsche Lieferkettengesetz müsste dann weiter abgeschwächt werden.
Als Menschenrechtsorganisation sind wir der festen Überzeugung: Es darf sich für Unternehmen nicht länger lohnen, Geschäfte auf dem Rücken von Menschen und Umwelt zu machen. Wir treten deshalb für ein wirksames EU-Wertschöpfungskettengesetz ein. Für uns heißt das: Es muss ausnahmslos die gesamte Wertschöpfungskette erfassen. Es muss präventiv wirken, also Menschenrechtsverletzungen, Umwelt- und Klimaschäden verhindern, bevor diese eintreten. Und es muss Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen eine realistische Chance geben, Schadensersatz von den Unternehmen zu erstreiten, die sie geschädigt haben – und zwar vor Zivilgerichten in der EU.
Die von Ihnen im Rechtsausschuss eingebrachten Vorschläge würden das Gegenteil bewirken. Geht es nach Ihnen, soll das EU-Lieferkettengesetz vollständig erst ab 2033 in den Mitgliedstaaten angewandt werden – viel zu spät. Vollumfänglich sollen die Sorgfaltspflichten nur mit Blick auf direkte Geschäftspartner gelten, so wie beim deutschen Gesetz. Tiefer in der Lieferkette sollen Unternehmen erst dann aktiv werden, wenn sie von dortigen Menschenrechtsverletzungen erfahren. Das heißt: Wenn der Schaden schon eingetreten ist. Ein Anreiz zum Wegschauen! Dabei ist es gerade am Beginn der Lieferkette wichtig, präventiv zu handeln, etwa im Bergbau oder auf Plantagen. Im vergangenen Jahr trafen Sie die indigenen Aktivist*innen Alice Pataxó und Tejubi Uru Eu Wau Wau, die Sie auf die gewaltsamen Landkonflikte z.B. im Zusammenhang mit Sojaplantagen in Brasilien aufmerksam machten. Nur mit starken Sorgfaltspflichten für die gesamte Lieferkette kann verhindert werden, dass europäische Unternehmen solche Missstände durch ihr Wirtschaften unterstützen.
Auch in Europa kommt es zu moderner Sklaverei, z.B. im Obst- und Gemüseanbau. Die Sorgfaltspflichten von Unternehmen dürfen sich nicht, wie von Ihnen gefordert, nur auf das Gebiet außerhalb Europas erstrecken!
Klimaschutzmaßnahmen möchten Sie aus der Richtlinie streichen. Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise sind diese Forderungen für uns absolut inakzeptabel.
Die nachgelagerte Lieferkette und den Finanzsektor möchten Sie komplett ausklammern. Das heißt: Der Export giftiger Pestizide oder Waffen wäre weiterhin möglich. Auch Investitionen in Bergbauprojekte, die zu massiven Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden führen, würden nicht sanktioniert. Dabei ermöglichen Finanzdienstleister Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in globalen Wertschöpfungsketten durch Kredite, Beteiligungen und andere Finanzierungsinstrumente häufig erst oder sind eng mit ihnen verbunden. Die Organisation BankTrack hat im November 2022 ihre vierte Analyse veröffentlicht, inwieweit 50 der weltweit größten Banken die UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten einhalten, die mit der EU-Richtlinie umgesetzt werden soll. Keine der untersuchten Banken erfüllte die Kriterien in angemessener Weise. (https://www.banktrack.org/download/global_human_rights_benchmark_2022/global_human_rights_benchmark_2022_2.pdf)
Sie und weitere Vertreter*innen der EVP sprechen sich zwar im Prinzip für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für verursachte Schäden aus. In der Praxis würde die von Ihnen vorgeschlagene Begrenzung der Haftung auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln es für Betroffene aber fast unmöglich machen, vor einem Gericht in der EU Schadensersatz erfolgreich einzuklagen, zumal Betroffenen keinen Zugang zu internen Unternehmensunterlagen haben. Selbst wer durch das Verhalten eines europäischen Unternehmens seine Lebensgrundlage verliert würde in der Regel also keinen Schadensersatz erhalten. Statt Betroffene zu stärken schaffen die von Ihnen eingebrachten Vorschläge unüberwindbare Hürden.
Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg haben weltweit Armut und Hunger dramatisch verschärft. Die meisten Regierungen des globalen Südens sind kaum in der Lage, die Not der Menschen sozialstaatlich abzufedern, die hohen Energiepreise auszugleichen oder milliardenschwere Schutzschirme für Unternehmen aufzuspannen. Auch in Lieferketten europäischer Unternehmen leiden Beschäftigte besonders im globalen Süden unter den Folgen des Ukrainekriegs. Durch den Wegfall russischer Metall- und Energierohstoffe kommt es dort in vielen Ländern zu einer rapiden Ausweitung von Bergbau, Gas- und Erdölförderung. Diese bringen wiederum massive Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen mit sich. Auch vor diesem Hintergrund lehnen wir jeden Versuch ab, europäische Krisenlasten auf die Menschen des globalen Südens abzuwälzen.
Sehr geehrter Herr Voss, warum möchten Sie das EU-Lieferkettengesetz wirkungslos machen? Der Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima darf kein Schönwetterthema sein, sondern muss auch in Krisenzeiten oberste Priorität haben. Wir appellieren an Sie: Bitte überdenken Sie Ihre Vorschläge zum geplanten EU-Lieferkettengesetz und setzen Sie sich für eine wirksame Regelung ein!
Mit freundlichen Grüßen,
FIAN Deutschland e.V.