Köln, 4. Juni 2012. Morde, Gewalt, Entführungen – Bauernfamilien und Journalisten in Bajo Aguan (Honduras) leben gefährlich. Die menschenrechtliche Situation vor Ort ist ernst. Zu diesem Schluss kam am Donnerstag eine von FIAN und acht anderen Nichtregierungsorganisationen (NRO) getragene öffentliche Anhörung in der Bezirkshauptstadt Tocoa, an der das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, die interamerikanische Menschenrechtskommission und die Europäische Union beobachtend teilnahmen.
„Viele Bäuerinnen und Bauern berichteten uns von Folter, Vertreibung und Morden. Es ist erschütternd, die Aussagen der Opfer, Familienangehörigen und Zeugen zu hören. Die Witwen der ermordeten Bauern, der Vater des erschossenen Journalisten, der 17-jährige Junge, den von Sicherheitskräften gefoltert wurde: sie wollen Gerechtigkeit, sie brauchen Schutz, ein Ende der Straflosigkeit und eine dauerhafte und gerechte Lösung des Landkonflikts mit den Palmöl-Unternehmern“, berichtet FIAN-Referent Martin Wolpold-Bosien, internationaler Koordinator der Anhörung.
Seit September 2009 sind im Zusammenhang mit dem Landkonflikt in Bajo Aguán 48 organisierte Bäuerinnen und Bauern, ein Journalist und seine Partnerin ermordet worden. Ein weiterer Bauer ist seit über einem Jahr nach seiner Festnahme durch private Sicherheitskräfte verschwunden. „In keinem anderen Landkonflikt Zentralamerikas der letzten 15 Jahre hat es ein solches Ausmaß von Gewalt gegen Bauerngemeinden gegeben“, sagt Wolpold-Bosien: „Wir sind froh, dass auch Vertreter von der interamerikanischen Menschenrechtskommission, UN und EU zu den öffentlichen Anhörung in den Bajo Aguán gekommen sind. Die internationale Gemeinschaft darf diese Gewalt nicht länger tolerieren!“
Die Bauerngemeinschaften von Bajo Aguan kämpfen seit fast zwei Jahrzehnten um ihr Recht auf Land und Nahrung. In den 1960ern sollte eine Agrarreform zu einer umfassenden Neuverteilung von Land und Ackerflächen führen. Ein Gesetz von 1992 machte jedoch wichtige Teile der Landreform rückgängig. Ölpalm-Produzenten nutzten die neue Lage aus und eigneten sich einen Großteil des Agrarreformlandes an.
Seit dem Putsch von 2009 hat sich die Menschenrechtslage in Honduras weiter verschlechtert. Auch Journalisten leben extrem gefährlich: nach Angaben der Menschenrechtsorganisation COFADEH sind seither 24 Journalisten ermordet worden.
Die Politik des Landes spielt ein doppeltes Spiel: Einerseits garantiert ein von Staatspräsident Porfirio Lobo Sosa unterzeichnetes Abkommen vom April 2010 den landlosen Familien neben einem ehemaligen Militärgelände weitere Ländereien mit einer Gesamtgröße von 11.000 Hektar Land. Andererseits gehen Polizei und Militär gemeinsam mit privaten Sicherheitskräften gegen die Bauernbewegung vor. Die Justiz schaut weg oder kriminalisiert den Kampf der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern um ihr Land.
Für die erste Junihälfte haben die Behörden auf Druck des Großgrundbesitzers Miguel Facussé breit angelegte Vertreibungen angekündigt, falls die Betroffenen nicht auf die kaum annehmbaren Bedingungen von Regierung und Palmölsektor eingehen. „Wir sind in großer Sorge und haben gemeinsam mit allen nationalen und internationalen Netzwerken zur Deeskalation der Gewalt, zu einer gewaltfreien, gerechten und dauerhaften Lösung des Landkonflikts aufgerufen“, sagt Wolpold-Bosien: „Die internationale Gemeinschaft muss darauf drängen, dass die begangenen Menschenrechtsverletzungen im Bajo Aguán aufgeklärt werden und die Straflosigkeit ein Ende nimmt!“
Hier finden Sie das komplette Statement von FIAN und acht weiteren Nichtregierungsorganisationen zur menschenrechtlichen Situation im Bajo Aguán und 18 Forderungen an die Politik.