Mehrere FIAN-Mitglieder haben uns Antworten der Deutschen Botschaft in Lusaka auf unsere Briefaktion zugeschickt. Vielen Dank aus dem Kölner Büro für die Beteiligung und Weiterleitung der Rückmeldungen!
Wir begrüßen es, dass die Botschaft in Lusaka, ein Nebenadressat der Eilaktion an den zuständigen Provinzminister in Sambia, auf die Briefaktion schriftlich Stellung bezieht. Wir sehen jedoch größere Diskrepanzen zwischen den Schilderungen der Botschaft und unseren über mehrere Jahre vor Ort gesammelten Erfahrungen und Informationen. Diese möchten wir gerne ansprechen:
- Die Botschaft hebt die Bedeutung des Lieferkettengesetzes hervor und schreibt: „Das Gesetz regelt die unternehmerische Verantwortung deutscher Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten“.
Unsere Bewertung: Das Gesetz (LKG) ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber für den Fall Amatheon nicht relevant.
- Amatheon fällt nicht unter die im Gesetz definierte Kategorie von Unternehmen.
- Weiterhin geht es hier nicht um Lieferketten und die Rolle von internationalen Zulieferfirmen eines deutschen Unternehmens, sondern um direkte Investitionen und Aktivitäten einer deutschen Firma im Ausland.
2. Die Botschaft erklärt: „Inwiefern es durch Tätigkeiten von AAZ [Amatheon Agri Zambia] vor Ort tatsächlich zu Rechtsverletzungen gekommen ist, vermag die Botschaft selbst nicht zuverlässig zu beurteilen. Investigative Tätigkeiten gehören nicht zu den Aufgaben einer Botschaft. Ohne die erforderlichen personellen Kapazitäten können wir uns daher nur bedingt ein Bild von der Situation vor Ort machen. Dies wäre für eine unabhängige Einschätzung und Bewertung der Lage unerlässlich.“
Unsere Bewertung: Treffen mit Betroffenen wären ohne weiteres möglich gewesen und wurden von FIAN wiederholt angeboten. Die Botschaft setzt daher falsche Prioritäten.
- Gerade auch weil Amatheon wie die Botschaft schreibt „ein wesentliches Element der deutsch-sambischen Wirtschaftsbeziehungen“ ist, muss es im Interesse der Bundesregierung und der Botschaft vor Ort sein, sich ein fundiertes Bild von den vielfach vorgebrachten Vorwürfen zu machen.
- Die Botschafterin selbst ist mehrfach vor Ort bei der Firma gewesen und hat Amatheon auch bei Agrarmessen besucht. Vor diesem Hintergrund bewerten wir es als eine falsche Prioritätensetzung der Botschaft, weniger als eine Frage von Kapazitäten. Wir meinen, die Frage von Menschenrechtsverstößen durch Amatheon sollte keine nachgeordnete Priorität besitzen.
- FIAN hatte 2022 ein Treffen zwischen Betroffenen, lokalen Behörden und Amatheon organisiert. Dorthin wurde auch die Botschaft eingeladen. Diese hatte zuerst zugesagt, als Beobachterin dabei zu sein, was wir sehr begrüßt haben. Als dann Amatheon kurzfristig abgesagt hatte, sagte auch die Botschaft ihre Teilnahme ab. Dies zeigt, dass es sich nicht nur um eine Kapazitäts-Frage handeln kann.
- Die internationale Rechtsauslegung hebt hervor, dass Deutschland verpflichtet ist, aktiv zu werden. Hier einige relevante Rechtstexte:
- Rechtskommentar 15 des UN-Sozialausschusses zum Recht auf Wasser, Paragraph 33:
„Die Vertragsstaaten müssen Schritte unternehmen, um zu verhindern, dass ihre eigenen Staatsbürger und Firmen das Recht von Einzelnen oder Gemeinschaften in anderen Ländern verletzen.“ - Rechtskommentar 24 des UN-Sozialausschusses zu Tätigkeiten von Unternehmen, Paragraph 26: Die Vertragsstaaten sind „verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen im Ausland durch Unternehmen zu verhindern, die in ihrem Hoheitsgebiet und/oder unter ihrer Gerichtsbarkeit ansässig sind“. Paragraph 2.14: „Die Schutzverpflichtung bedeutet, dass die Vertragsstaaten Verletzungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte im Rahmen von Unternehmenstätigkeiten wirksam verhindern müssen.“
- Maastrichter Prinzipien (Rechtsdetailierung von führenden ExpertInnen), Prinzip 13: „Verpflichtung zur Vermeidung von Schaden. Staaten müssen von Handlungen und Unterlassungen Abstand nehmen, die ein konkretes Risiko schaffen, dass sie den Genuss von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten außerhalb ihres Territoriums unmöglich machen oder beeinträchtigen. Staaten werden verantwortlich, wenn eine solche Verunmöglichung oder Beeinträchtigung ein vorhersehbares Ergebnis ihres Verhaltens ist. Eine Unsicherheit über mögliche Auswirkungen stellt keine Rechtfertigung für ein solches Verhalten dar.“
- Rechtskommentar 15 des UN-Sozialausschusses zum Recht auf Wasser, Paragraph 33:
3. Die Botschaft erklärt, dass die „Vorwürfe […] bisher ausschließlich durch FIAN an uns herangetragen worden“ waren.
Unsere Bewertung: Das hört sich so an, als ob die Botschaft die Vorwürfe relativiert und in Frage stellt, leider ohne diese inhaltlich zu bewerten.
- Dies widerspricht auch der Weigerung, selbst aktiv zu werden und auch der Absage eines Treffens mit etwa 30 Betroffenen im Jahr 2022 (siehe oben), durch das sie sich ein eigenes Bild hätte machen können.
- Gerade diese Sprachrohrfunktion für lokale Betroffene ist eine wichtige Funktion von FIAN. Im ländlichen Kontext erfahren wir regelmäßig, dass einzelne Betroffene sich nicht trauen, sich kritisch gegenüber mächtigen Akteuren wie einem internationalen Großinvestor zu äußern. Auch hier ist dies der Fall und deutet aus unserer Sicht auf das Problem hin, anstatt es zu hinterfragen.
Wir möchten betonen, dass wir positiv wahrgenommen haben, dass sich die Botschaft dem Diskurs – wie beispielsweise über die Beantwortung der Briefe – nicht gänzlich entzieht. Letztendlich kommt die Botschaft jedoch ihren Verpflichtungen aus den Menschenrechtspakten nicht angemessen nach, auch weil sie sich weigert, direkte Gespräche mit Betroffenen zu führen.
Jüngste Berichte von gewaltsamen Zwischenfällen, bei denen Bauern ihr Vieh am lokalen Fluss tränken wollten und daran von Sicherheitskräften von Amatheon gehindert wurden, unterstreichen die Notwendigkeit, Druck auf alle Entscheidungsträger – auch die deutsche Botschaft – zu machen! Wir bleiben dran.