Auch in Nepal hat die Regierung zur Eindämmung des Corona-Virus den Stillstand des öffentlichen Lebens angeordnet. Wie lange ist derzeit noch unklar. Für viele Nepali ist dabei jeder Tag ein Tag zu viel. Die Kathmandu Post berichtet, dass insbesondere Tagelöhner sich von der Regierung vergessen fühlen und den Hungertod mehr fürchten als das Virus.
Für Tausende ist die einzige Einkommensquelle weggebrochen und sie kritisieren, dass der sogenannte Lock-Down nur für Wohlhabende möglich ist. Bewohner*innen der informellen Siedlungen von Kathmandu geben an, dass es physisch unmöglich ist, sich den ganzen Tag unter Wellblechdächern aufzuhalten, da sich die Räume stark aufheizen. Mindestens 30.000 Menschen in Kathmandu sind davon betroffen. Ein besonderes Problem stellt hier auch die mangelnde Wasserversorgung dar.
Massive Folgen treffen auch all jene Nepalis, die direkt oder indirekt vom Tourismus leben: schätzungsweise handelt es hierbei um 1 Million Menschen, deren Einkommen ganz oder teilweise ausfällt. Insgesamt beträgt der Beitrag des Tourismussektors zum Bruttosozialprodukt fast 8 Prozent. Weitere 28 Prozent werden durch Überweisungen nepalesischer Arbeitsmigrant*innen aus anderen Staaten erwirtschaftet.
Gerade diese sind jetzt in einer besonders prekären Situation: Aus Malaysia, den Golfstaaten und anderen Aufenthaltsländern der nepalesischen Arbeitsmigranten wird berichtet, dass diese dort keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. In manchen Fällen werden Arbeitsmigrant*innen zur illegalen Arbeit gezwungen. Andere verlieren Unterkunft und Einkünfte gänzlich und würden gern nach Nepal zurückkehren. Diese Rückkehr hat Nepal bisher verboten; eine Entscheidung die umstritten ist und öffentlich diskutiert wird. Arbeitsmigrant*innen gelten als Risikogruppe, weil sie häufig mit vielen Personen auf beengtem Raum leben und es ihnen daher kaum möglich ist, sich vor Infektionen zu schützen. In Katar bauen sie unter anderem die Sportstätten für die kommende Fußballweltmeisterschaft 2022.
Noch ist unklar, wie sich die Krise auf Nepals Wirtschaft insgesamt und die Situation der Ärmsten auswirken wird. Gleichwohl sind Effekte bereits jetzt zu spüren: die Preise für Gemüse haben sich in einer Woche verdoppelt, andere Grundnahrungsmittel wurden bereits um 10-20 Prozent teurer. Solche Preissteigerungen treffen ärmere Haushalte empfindlich, weil sie ohnehin einen großen Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden.
Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof Nepals die Regierung in einer vorläufigen Anordnung dazu verpflichtet sicherzustellen, dass gerade für die verletzlichen Haushalte und Tagelöhner das Recht auf Nahrung garantiert wird. Das Recht auf Nahrung ist in Nepal in der Verfassung verankert. Die Aussage des Obersten Gerichtshofs schafft Handlungsdruck für die politisch Verantwortlichen. Es wird jedoch auch darauf ankommen, die internationale Debatte und Reaktion auf Covid-19 rechtebasiert wie auch solidarisch zu gestalten. Globale Gegenmaßnahmen müssen die Situation der Ärmsten im Blick haben und explodierenden Lebensmittelpreisen sowie einer neuerlichen Ernährungskrise vorbeugen. (Britta Schweighöfer)