Jeanette Schade, FIAN-Vorstandsmitglied, analysiert das neue Klimaabkommen von Paris im Kontext der Menschenrechte
Die Bedingungen auf dem UN Klimagipfel waren für Menschenrechts- und UmweltaktivistInnen nicht leicht. Trotz des Demonstrationsverbots und anderen Restriktionen haben sie es mit unermüdlicher Lobbyarbeit und endlosen Tweets erreicht, Menschenrechte im Pariser Klimaabkommen zu verankern. Die Hauptsorge galt dabei der Einhegung zunehmender Menschenrechtsverletzungen im Kontext klimapolitischer Maßnahmen, zur Emissionsminderung als auch zur Anpassung an den Klimawandel. Zwei Ziele haben die AktivistInnen dabei verfolgt: Menschenrechte sollten erstens in der Präambel und zweitens in Paragraph 2 zu den Prinzipien der Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen untergebracht werden.
Mit dem ersten Ziel waren sie erfolgreich. So heißt es jetzt in der Präambel, dass die Vertragsstaaten bei Umsetzungsmaßnahmen Menschenrechte respektieren und fördern sollen, insbesondere das Recht auf Gesundheit und die Rechte vulnerabler Gruppen, Indigene eingeschlossen. Im Wortlaut:
“Acknowledging that climate change is a common concern of humankind, Parties should, when taking action to address climate change, respect, promote and consider their respective obligations on human rights, the right to health, the rights of indigenous peoples, local communities, migrants, children, persons with disabilities and people in vulnerable situations and the right to development, as well as gender equality, empowerment of women and intergenerational equity,” (Pariser Klimaabkommen, Präambel)
Noch zentraler war aber das Anliegen, diese allgemeine „Anerkennung“ menschenrechtlicher Verpflichtungen bei der Umsetzung von Klimapolitik auch im Kerntext unterzubringen. Relevant ist hier insbesondere Paragraph 2, der in 2.1 die Stoßrichtung klimapolitischen Handelns vorgibt: (1) durch Emissionsminderung die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten; (2) die Kapazitäten zur Anpassung an den Klimawandel und für eine emissionsarme Entwicklung zu verbessern; und (3) Finanzströme mit diesen Zielen konsistent zu gestalten. Paragraph 2.2 gibt dann die Prinzipien zur Umsetzung vor. Im Vorfeld hatten sich in einem gemeinsamen Netzwerk verbundene Menschenrechts- und UmweltaktivistInnen darauf geeinigt, für folgende Formulierung im operationalen Teil des Vertragstextes geschlossen Lobbying zu machen:
“This Agreement shall be implemented on the basis of equity and science, and in accordance with the principle of equity and common but differentiated responsibilities and respective capabilities, in the light of different national circumstances, while also ensuring the integrity and resilience of natural ecosystems and ensuring the respect, protection, promotion and fulfillment of human rights, including the rights of indigenous peoples; gender equality and the full and equal participation of women; intergenerational equity; a just transition of the workforce that creates decent work and quality jobs; and food security.”
Leider konnten sie sich nicht durchsetzen. Unter den Staaten die sich (aus unterschiedlichen Gründen) gegen eine Verankerung von Menschenrechten im Kerntext aussprachen, waren unter anderem viele Länder Sub-sahara Afrikas sowie Ägypten, Saudi Arabien, Kolumbien und Venezuela, aber auch Deutschland. Viele andere vermieden eindeutige Positionierungen. Zuletzt einigten sich die Vertragsstaaten nur auf eine Formulierung, die sich so ähnlich bereits im Klimaabkommen von 1992 findet und am Vorrang des Prinzips gemeinsamer aber geteilter Verantwortung festhält:
„This Agreement will be implemented to reflect equity and the principle of common but differentiated responsibilities and respective capabilities, in the light of different national circumstances.”
Das Recht auf Nahrung hat es in Paragraph 2 dabei vielleicht noch am besten getroffen. So wird in 2.1(2) festgehalten, dass Anstrengungen sich an den Klimawandel anzupassen und eine emissionsarme Entwicklung anzustreben, nicht die Ernährungssicherheit gefährden dürfen. „Ernährungssicherheit“ ist jedoch seinerseits ein stark umkämpfter Begriff, der von Staaten und sozialen Bewegungen sehr unterschiedlich interpretiert wird. Außerdem stellt sich die Frage, warum Ähnliches nicht auch für 2.1(3) zur Gestaltung von Finanzströmen festgehalten wurde. Die Berücksichtigung von Menschenrechten –also auch des Rechts auf Nahrung– in 2.2 zu den Umsetzungsprinzipen hätte hingegen Anwendung auf alle Unterparagraphen von 2.1 gefunden.
Die Bilanz ist in Punkto Menschenrechte also sehr gemischt. Sie ist aber auch nicht trostlos; vor allem wenn man bedenkt, dass Richter des Internationalen Gerichtshofs bereits 1989 festhielten, dass die Präambel eines internationalen Abkommens eine Quelle zu dessen angemessener Interpretation darstellt, auch wenn es sich bei Präambeln nicht um Gesetzesbestimmungen im strengen Sinne handle. Dies wurde bereits in anderen Urteilen so interpretiert (Minderheitsvotum, Case Concerning the Arbitral Award of 31 July 1989 (Guinea-Bissau v. Senegal), I.C.J. Reports 53, S. 142). Mehr Richter sollten sich dieser Haltung anschließen, auch in Bezug auf Menschenrechte in der Klimapolitik.
Aber auch seitens der Staaten zeichnen sich alternative Wege ab, Menschenrechte im Klimaregime zu stärken. So hatte im Februar 2015 die Ad Hoc Working Group for the Durban Platform for Enhanced Action den Geneva Pledge for Human Rights in Climate Action ins Leben gerufen, die vor der COP21 nur 18, inzwischen aber über 30 Staaten unterzeichnet haben.