Deutschland importiert Bauxit vor allem für den Aluminium-Bedarf der Autoindustrie. 80% des Rohstoffs kommen aus dem westafrikanischen Land Guinea. Gemeinden vor Ort berichten über Landverlust, versiegende Wasserquellen und Gesundheitsschäden. Der UN-Sozialausschuss fordert das Land auf, die Rechte der örtlichen Bevölkerung zu schützen.
Im September 2016 hat die guineische Regierung internationale Kredite von insgesamt 823 Mio. US $ für die Erweiterung des Bauxitabbaus erhalten. Vom deutschen Staat wurde eine UFK-Garantie (ungebundener Finanzkredit) in Höhe von 293 Mio. Dollar für die ING Bank und deren Tochter ING-DiBa übernommen. Die Weltbanktochter International Finance Corporation (IFC) investierte 200 Mio. US Dollar. Ein Großteil dieser Gelder floss in den Ausbau der Bauxit-Mine Sangredi, welche von der Compagnie de Bauxites Guinée (CBG) betrieben wird. Sie wird als Vorzeigeprojekt deutscher Auslandsaktivitäten aufgeführt. Die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards sowie die positiven Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung Guineas werden im Jahresbericht zur deutschen Absicherung von Auslandsgeschäften besonders hervorgehoben.
Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Die lokale Bevölkerung in und um das Gebiet der Sangredi-Mine leidet unter dem hohen Flächen- und Wasserverbrauch, der für den Abbau von Bauxit notwendig ist. Im Dorf Hamdallaye sind mittlerweile drei Flüsse ausgetrocknet. Von den von CBG gebohrten Brunnen lässt sich nur noch einer nutzen. Mindestens zwölf weitere Gemeinden sind von den Aktivitäten des Bergbaus betroffen. Berichte über Landgrabbing, Vertreibungen und die Zerstörung natürlicher Ressourcen häufen sich. Der beim Bauxitabbau entstehende rote Staub macht Ackerflächen im Umkreis unbrauchbar und ist vermutlich für das Auftreten verschiedener Krankheiten verantwortlich (FIAN veröffentlichte hierzu kürzlich eine Fall-Recherche). Somit werden guineisches Recht und Menschenrechte verletzt: Guinea kam seiner staatlichen Schutzpflicht in Bezug auf das Recht auf Wohnen (Art. 11 ICESCR) sowie bezogen auf das Recht auf Nahrung und Wasser (Art. 11 und 12 ICESCR; A/HRC/RES/15/9) nicht nach. Betroffene kritisieren weiterhin fehlende Kompensationszahlungen oder brauchbares Alternativland für Verluste von Land und natürlichen Ressourcen.
Im Februar 2019 haben mit Unterstützung von zwei guineischen NGOs 540 Betroffene aus 13 Gemeinden eine Beschwerde an den unabhängigen Überwachungsbeauftragten der IFC geschrieben. Die Beschwerde richtet sich auf die Nicht-Einhaltung der Bank-eigenen Performance Standards zu menschenrechtlichen und ökologischen Kriterien. Die Betroffenen beklagen:
– den Verlust von Land ohne entsprechende Entschädigungen (finanziell, materiell);
– negative Auswirkungen auf essentielle Lebensgrundlagen;
– drastischer Rückgang von Einkommen;
– Zerstörung der Umwelt (Verschmutzung und Rückgang von Wasserquellen, Zerstörung natürlicher Ressourcen).
Die Beschwerde wurde von der IFC angenommen. Die US-amerikanische NGO Inclusive Development International, die diesen Fall unterstützt und beobachtet, berichtet, dass die Verhandlungen momentan aus verschiedene Gründen – unter anderem aufgrund der Covid-19 Pandemie – ins Stocken gekommen sind. In Guinea baut CBG jedoch weiterhin Bauxit ab und führt die widerrechtlichen Umsiedlungen fort.
Der UN-Sozialausschuss überprüfte in seiner Sitzung im Frühjahr die menschenrechtliche Situation in Guinea. Die nun veröffentlichten Empfehlungen an die guineische Regierung nehmen direkten Bezug auf den Bergbau. Hierzu gehört die Aufforderung sicherzustellen, dass die lokalen Gemeinden von der Entwicklung des ländlichen Raums auch wirtschaftlich profitieren. Weiterhin sollen personelle, finanzielle und technische Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die eine regelmäßige Inspektion der Minenprojekte und ihre Auswirkungen auf die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte ermöglichen. Dabei sollen verstärkt Anstrengungen unternommen werden, die den Schutz von Wasserquellen gewährleisten und Unternehmen zur Verantwortung ziehen, wenn sich diese an der Verschmutzung oder Zerstörung solcher Quellen beteiligen. Weiterhin fordert der Ausschuss, dass der Staat sicherstellen müsse, dass die von Vertreibung Betroffenen im Vorhinein solcher Projekte konsultiert und angemessenen entschädigt werden und ihnen rechtliche Sicherheit gewährleistet. Diese Empfehlungen sind für eine Lösung der menschenrechtlichen und ökologischen Probleme durch die Sangredi-Mine relevant.
Aufgrund der finanziellen Absicherung der Kredite und der umfangreichen Exporte nach Deutschland trägt die Bundesregierung Mitverantwortung für die Situation vor Ort. Mit der Unterstützung von FIAN wurden 2019 bereits Gespräche zwischen guineischen NGOs und deutschen Ministerien (BMZ, BMWi) sowie der GIZ in die Wege geleitet, um die Einhaltung der menschenrechtlichen Verantwortung in den Lieferketten der Automobilindustrie zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass die Bundesregierung ihren extraterritorialen Staatenpflichten nachkommt.