Köln, 9.2.16. Am 7. Januar 2016 stimmte das Parlament Ecuadors einem neuen Landgesetz („Ley de Tierras rurales y Territorios ancestrales“) zu. Dies liegt dem Präsidenten nun vor, der es bis zum 11.2. annehmen oder sein Veto einlegen muss. Soziale Bewegungen haben zu landesweiter Mobilisierung, zu Protesten und Diskussionsforen aufgerufen, die im Mai in einen „Nationalen Agrargipfel“ münden sollen. Sie hatten bereits im Vorfeld die fehlende Partizipation während der Erarbeitung des Gesetzes kritisiert.
Die Menschenrechtsorganisation FIAN beurteilt das Landgesetz aus menschenrechtlicher Sicht als äußerst fragwürdig. Besonders problematisch ist die einseitig neoliberale Ausrichtung, wodurch der Ausverkauf von Land gefördert wird anstatt das Recht auf Land der mehrheitlich ländlichen Bevölkerung zu verankern. Dieses Gesetz wird folglich Landgrabbing, Landkonzentration und Privatisierung von natürlichen Ressourcen vorantreiben. Damit ist eine Verschärfung von sozialen Konflikten zu befürchten.
Das Landgesetz widerspricht auch dem in der Nationalen Verfassung von 2008 verankertem Prinzip des Buen Vivir (Gutes Leben), das Ernährungssouveränität und Zugang zu natürlichen Ressourcen als Rechte festschreibt. Explizit wird in Artikel 281 auf eine Umverteilung von Land hingewiesen.
Regine Kretschmer, Lateinamerika-Expertin von FIAN kritisiert: “Das Gesetz begünstigt Agrobusiness und den Raubbau an der Natur durch Bergbau und Ölförderung. Eine dringend notwendige Agrarreform rückt in weite Ferne. Hiermit werden die Rechte von KleinbäuerInnen und indigenen Gemeinschaften verletzt.“
In Zusammenspiel mit dem in Kürze in Kraft tretenden Freihandelsabkommen zwischen Ecuador und der Europäischen Union ist dieses Gesetz besonders alarmierend. Reichen Investoren aus Europa und der gesamten Welt wird es damit noch leichter gemacht, sich Land und natürliche Ressourcen in großem Stil zu sichern, da keinerlei Begrenzung für Landtransaktionen (Kauf oder Pacht) festgeschrieben wurde. Hintergrundinformation Land ist die wichtigste Grundlage im ländlichen Ecuador um das Menschenrecht auf Nahrung zu gewährleisten.
Für FIAN sind die kritischen Punkte des Landgesetzes:
1. Landmarkt: Der Kauf von Land wird durch Landfonds verwaltet, was bedeutet, dass die KleinbäuerInnen das Land über Kredite an eine Bank abbezahlen müssen. Der Staat entzieht sich somit seiner Pflicht einer Landumverteilung. Erschwerend kommt hinzu dass die Preise für Land sich an Marktpreisen orientieren.
2. Es wird nur formal festgehaltener und privatrechtlich verankerter Landbesitz anerkannt (Besitz eines Landtitels). Tausende von Indigenen und kleinbäuerlichen Familien verfügen nicht über solche Landtitel, leben aber seit Generationen auf einem Stück Land. Vielen wurde bis heute eine formelle Anerkennung mittels Landtitel nicht zugestanden. Erschwerend kommt hinzu, dass BäuerInnen durch das neue Gesetz als Eindringlinge („invasores“) kategorisiert werden können und sich somit strafrechtlicher Verfolgung aussetzen. Auch die Strafen für Landbesetzungen wurden verschärft.
3. Fehlende Mechanismen, die der ländlichen Bevölkerung den Zugang zu Justiz gewährleisten.
4. Großgrundbesitz und Landkonzentration werden im Sinne von niedriger Produktivität definiert, also nur dann wenn Land nicht intensiv und mit technischem Input bearbeitet wird.
5. Fehlende Partizipation der vom Landgesetz am meisten betroffenen Gruppen, den KleinbäuerInnen und deren sozialen Bewegungen, bei der Ausarbeitung und Diskussion des Gesetzesvorschlages.
6. Ausländische Investitionen: Es gibt keinerlei Beschränkung für nicht-EcuadorianerInnen Land zu pachten oder zu kaufen. Link zu menschenrechtlicher Analyse des Gesetzes (auf Spanisch)
Kontakt: Almudena Abascal, Lateinamerikaexpertin, a.abascal@fian.de