Das Dossier stellt heraus, wie deutsche Kredite, Versicherungen und Technologie, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden an Kolumbiens größtem Staudamm absichern
Die Menschenrechtskoordination Kolumbien, darunter FIAN Deutschland, hat einen Dossier zu den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Zusammenhang mit dem Hidroituango-Staudamm veröffentlicht.
Die Flutkatastrophe am Hidroituango-Staudamm im Frühjahr 2018 hat Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden an Kolumbiens größter Baustelle international in den Fokus gerückt. Dabei sind Straftaten im Zusammenhang mit dem Großprojekt bereits seit Jahren öffentlich bekannt und umfassend dokumentiert.
Betroffene und Menschenrechtsverteidiger*innen, die Widerstand gegen das Projekt leisten und sich für ihre Rechte einsetzen, werden bedroht und ermordet. Deutsche Unternehmen hielt das nicht davon ab, Hidroituango mit Krediten, Rückversicherungen, Elektronik und Hydraulik zu versorgen.
Erst lag das Flussbett trocken, dann kam die Flut. Am 28. April 2018 stand der Hidroituango-Staudamm im Nordwesten Kolumbiens vor dem Kollaps. Die Staumauer war noch nicht fertig gestellt, da staute sich auf der größten Baustelle des Landes urplötzlich der Cauca-Fluss auf. Über Tage kam unterhalb der Talsperre vom „blonden Patron“, wie die Flussbewohner*innen den Cauca mit Ehrfurcht und Zuneigung nennen, nicht mehr als ein Rinnsal an. Oberhalb trat gleichzeitig der Fluss rasend schnell über die Ufer und sorgte für weiträumige Überschwemmungen. Zwei Wochen später brachen die Wassermassen durch einen Gebirgstunnel unter der Anlage. Flutwellen überrollten flussabwärts die nahe gelegene Ufersiedlung Puerto Valdivia. Der Stausee war vorzeitig und unkontrolliert geflutet worden. Über Wochen konnten die Behörden nicht garantieren, dass die noch im Bau befindliche Talsperre nicht auch unter dem Druck des Wassers brechen würde. In einer Region, die wie kaum eine andere unter der Gewalt in Kolumbien gelitten hat, mussten über 31.000 Menschen fluchtartig ihre Häuser verlassen – darunter viele Überlebende des bewaffneten Konflikts. Der Sachschaden beläuft sich auf gut 2,61 Milliarden US-Dollar.
Bald war klar: Der Projektbetreiber EPM hatte die Beinahe-Katastrophe durch gravierende Planungsfehler und übereilte Maßnahmen, die Geld und Zeit sparen sollten, verschuldet. Der enorme Strömungsdruck des Cauca hatte Teile der Decke eines Gebirgstunnel zum Einsturz gebracht, durch den der Fluss umgeleitet wurde, um in seinem Bett die Staumauer zu errichten. Die Trümmer verstopften den Durchfluss, das Wasser staute sich auf. Beschädigt wurde der Tunnel womöglich auch durch Baumstämme, die Starkregen zuvor tonnenweise von den Flussufern mitgerissen und zum Eingang des Stollens gespült hatte. Forstunternehmen, die im Auftrag von EPM die Steilhänge rodeten, hatten die Baumabfälle einfach an den Ufern entsorgt – entgegen der Umweltauflagen und Warnungen aus der Bevölkerung.
Der Flussumleitungstunnel selbst war ohne Umweltgenehmigung gegraben worden, seine Konstruktionsweise ungeeignet, um der immens starken Strömung des Cauca standzuhalten, wie ein mit der Tunnelplanung beauftragtes Ingenieursbüro bereits vor Baubeginn warnte und ein internes, von EPM unter Verschluss gehaltenes Gutachten zu den Ursachen der Flutkatastrophe belegt. Die beiden Haupttunnel, durch die der Cauca zuvor jahrelang umgeleitet worden war, hatte EPM bereits zubetonieren lassen, um die für Juni 2018 geplante Inbetriebnahme der Anlage zu beschleunigen. Wohl aus Kostengründen hatte das Unternehmen – entgegen dem Rat seines eigenen Beraterstabes – darauf verzichtet, Schotten in den Tunneln einzubauen, die aufgestautes Wasser im Notfall hätten ableiten können.
Die Flutkatastrophe hat ins öffentliche Bewusstsein gerückt, worauf Betroffene seit Jahren hinweisen: Hidroituango ist verantwortlich für unzählige Menschenrechtsverletzungen, Sozial- und Umweltrechtsverstöße. Deutsche Unternehmen – darunter die staatseigene KfW-IPEX-Bank, Siemens, die Rückversicherer Munich Re und Hannover Re, der Druckluftspezialist Kaeser und der Kabelhersteller Südkabel – hat das nicht von einer Kooperation mit dem Projekt abgehalten. Während den Verantwortlichen in Kolumbien mittlerweile auf den Zahn gefühlt wird, leben unzählige Menschen in der Projektregion auch Ende 2021 noch unter prekären Bedingungen. Viele haben ihr gesamtes Hab und Gut und ihre Einkommensquellen verloren. Die meisten warten weiter vergeblich auf Wiedergutmachung, Zukunftsperspektiven, Wahrheit, Gerechtigkeit und Schutz vor neuer Gewalt.
Das Dossier dokumentiert zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Zusammenhang mit dem Hidroituango-Staudamm. Es zeiget ebenso auf, warum die daran beteiligten deutschen Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nicht ausreichend nachgekommen sind.
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