Das Hohe Gericht in Kampala/Uganda spricht den rund 2.000 Vertriebenen der Kaweri Kaffee-Plantage der Hamburger Neumann Gruppe Entschädigungen in Höhe von insgesamt rund elf Millionen Euro zu. In seinem Urteil vom 28. März rügt der Richter den deutschen Investor harsch für die Verletzung seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht.
Das Urteil ist aus FIAN-Sicht allerdings fragwürdig, weil nicht Kaweri zu Entschädigungszahlungen verurteilt wird, sondern die Rechtsanwälte des Unternehmens. Nicht nachvollziehbar ist, dass der Richter dem ugandischen Staat keinerlei Verantwortung für die Vertreibung durch das Militär zuspricht, obwohl der zuständige Offizier in einer Stellungnahme darlegte, dass der örtliche Regierungsvertreter die Soldaten angefordert hatte. Auch die ugandische Investitionsbehörde sieht er nur als Opfer ihrer Rechtsanwälte. Aus menschenrechtlicher Perspektive hat jedoch der Staat die Pflicht, die Rechte der Bevölkerung zu respektieren und vor Übergriffen Dritter zu schützen.
Das Urteil findet deutliche Worte für das verantwortungslose Handeln der Kaweri Kaffee-Plantage: „Die deutschen Investoren hatten die Pflicht, sicherzustellen, dass unsere einheimische Bevölkerung nicht ausgebeutet wird. Sie hätten die Menschenrechte und die Werte der Bevölkerung respektieren müssen. Als ehrenhafte Geschäftsleute und Investoren hätten sie das Land nicht übernehmen sollen, bevor sie sich selbst davon überzeugen konnten, dass die Siedler angemessen entschädigt, umgesiedelt und informiert wurden. Stattdessen waren sie stille Zuschauer und beobachteten die grausame und gewaltsame sowie erniedrigende Vertreibung, die teilweise durch ihre eigenen Arbeiter stattfand…“
Zwar sieht der Richter die größte Schuld bei den Rechtsanwälten von Kaweri und verlangt auch die Entschädigungszahlung von ihnen. Gleichzeitig folgt er der Argumentation der Vertriebenen:
- Die Vertriebenen waren rechtmäßige PächterInnen und hätten nicht vertrieben werden dürfen.
- Die damaligen Manager der Kaweri Plantage waren bestens über die drohende Vertreibung informiert, da sie bei entsprechenden Treffen mit den BewohnerInnen vor der Vertreibung anwesend waren. Dem Ex-Manager Stough wirft der Richter in dieser Frage Meineid vor.
- Die Vertriebenen wurden weder mit Land noch mit Geld entschädigt. Der Landtitel des angeblich speziell für die Umsiedlung gekauften Grundstücks enthält dazu keinen Eintrag.
„Nach einem elfjährigen Verfahren ist das Urteil ein Meilenstein für die Vertriebenen der Kaweri-Plantage“, freut sich Gertrud Falk von FIAN Deutschland. Das Gericht folgte mit diesem Urteil allen Forderungen der Vertriebenen. Im August 2001 waren die BewohnerInnen von vier Dörfern gewaltsam von der ugandischen Armee vertrieben worden, weil die ugandische Investitionsbehörde das Land der Neumann Gruppe für den Aufbau einer Kaffee-Plantage verpachtet hatte. FIAN unterstützt die Vertriebenen in ihrem friedlichen Kampf um Gerechtigkeit.
„Das Urteil ist auch eine Ohrfeige für die Bundesregierung“, erläutert Falk. Gemeinsam mit FIAN hatten die Vertriebenen 2009 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Beschwerde gegen die Neumann Gruppe wegen Verletzung der OECD-Richtlinien für Multinationale Unternehmen eingereicht. In seiner abschließenden Stellungnahme hatte das Ministerium aber dem Unternehmen Recht gegeben und FIAN sogar aufgefordert, jede Öffentlichkeitsarbeit zu dem Fall zu unterlassen.
Kritikwürdig am Urteil ist die Tatsache, dass die Entschädigungen von einer Anwaltskanzlei verlangt werden, die nicht selbst angeklagt war, sondern die Kaweri-Kaffeeplantage bei der Landpacht und im Prozess gegen die Vertriebenen gerichtlich vertreten hat. Ihr wird Betrug, Missachtung des Gerichts und Verstoß gegen professionelle juristische Regeln vorgeworfen. So hatte die Kanzlei zum Beispiel bei der Aushandlung des Pachtvertrags von Kaweri sowohl Kaweri als Pächter als auch die ugandische Investitionsbehörde als Verpächterin vertreten. Die ugandische Regierung wird in dem Urteil dagegen von jeglicher Verantwortung frei gesprochen, obwohl das Militär die Vertreibung durchgeführt hatte.
Die Neumann Gruppe hat angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Die Vertriebenen drängen auf eine schnelle Umsetzung des Urteils. FIAN wird sie weiterhin unterstützen.
Download Urteil des Hohen Gerichts von Kampala
Kontakt:
Gertrud Falk: g.falk@fian.de