49 brasilianische Organisationen unterzeichnen Forderungen an Regierung
FIAN Brasilien und weitere brasilianische Organisationen berichten von alarmierenden Rückschritten bzgl. der Rechte von Indigenen1. Die Entwicklung wird an mehreren Stellen deutlich, insbesondere durch die Schwächung von FUNAI (brasilianische Behörde für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen mit Bezug zu indigenen Völkern), die Weigerung, indigene Territorien abzugrenzen und zu schützen sowie dem nicht vorhandenen Dialog der Regierung mit VertreterInnen von Indigenen. Seit dem Besuch der Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker vor über einem Jahr sind keine Fortschritte zu verzeichnen – im Gegenteil: weiterhin finden gewaltsame Übergriffe statt wie aktuell bei der Gemeinde der Gamelas in Maranhao2 und den Guaraní Kaiowá in Mato Grosso do Sul3. Die Guaraní Kaiowá, deren Situation Fian Deutschland bereits seit knapp 10 Jahren begleitet, sind immer wieder Opfer von rassistischer Gewalt und institutioneller Diskriminierung.
Die Versprechungen, die Brasilien vor dem UN-Menschenrechtsrat bzgl. der Stärkung von FUNAI machten, sind in Vergessenheit geraten. Der brasilianische Präsident Temer und seine kurzlebigen Justizminister haben stattdessen den Prozess zur Festlegung indigener Territorien4 zu Gunsten des Agribusiness geändert5. Durch rechtswidrige Verwaltungsakte und politische Manöver wurden Grund- und Landrechte der Indigenen unterlaufen.
Die UN-Sonderberichterstatterin hatte 2016 festgestellt, dass sich die Gefahren für Indigene im politischen Kontext zuspitzen könnten und dadurch der Schutz ihrer Menschenrechte gefährdet sei6. Hierbei nahm sie auf die politische und wirtschaftliche Krise Bezug, mit der institutionelle Änderungen gerechtfertigt wurden, die Indigene benachteiligen.
Die anhaltende Krise führte zu einer sich in den letzten 10 Jahren zunehmend verschlechternden Menschenrechtssituation für indigene Gemeinschaften7. So wurden Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe seitens Angestellter des nationalen Sekretariats für Indigene Gesundheit ohne jegliche Ermittlungen abgetan. Rassistische Reden von Politikern und Großgrundbesitzern und Kriminalisierung sind keine Seltenheit. Im Juni 2017 hat der Präsident durch provisorische Maßnahmen8 die Agrarreform untergraben und im Juli drei weitere „provisorische Maßnahmen“ erlassen, durch die die Sozial- und Umweltrichtlinien beim Bergbau geschwächt wurden.
Angesichts dieser Entwicklungen und anlässlich der 36. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates im September 2017 haben 49 brasilianische Organisationen, darunter auch FIAN Brasilien, einen gemeinsamen Brief an die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker, den Präsidenten des UN-Menschenrechtsrates, den Hohen Kommissar für Menschenrechte, den Zuständigen für Südamerika der Menschenrechtskommission und den Präsidenten der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte und Berichterstatter für Rechte Indigener Völker geschrieben, in dem sie diese bitten, die brasilianische Regierung aufzufordern:
1. Die Kriminalisierung indigener Führer, Gruppen und deren Partner zu stoppen und Programme und Strategien zu stärken, durch die MenschenrechtsverteidigerInnen geschützt werden;
2. Demokratische Dialoge mit Indigenen zu etablieren und vom militärischen und/oder integrationistischen Ansatz gegenüber Indigenen und indigenen Völkern Abstand zu nehmen;
3. Verwaltungsakte zu widerrufen, die das Recht auf Land, das Recht auf freie, vorherige und informierte Anhörung und das Recht auf Kultur der Indigenen verletzen;
4. Einen diskriminierungsfreien Rechtszugang für Indigene sicherzustellen.
Zum Brief: http://bit.ly/2grijQE
Zum Factsheet für weitere Informationen
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2 http://www.cimi.org.br/site/pt-br/?system=news&conteudo_id=9249&action=read
3 http://apib.info/2017/07/24/ataque-a-retomada-yvu-vera-deixa-feridos-no-mato-grosso-do-sul/
6 A/HRC/33/42/Add.1
8 Provisorische Maßnahmen sind Präsidentialakte, mit unmittelbarer Rechtskraft, die vom Präsidenten ohne die Teilnahme der Legislative erlassen werden und nur zu einem späteren Zeitpunkt von der Legislative zu genehmigen sind. Voraussetzungen für den Erlass sind kumulative Dringlichkeit und Relevanz.