Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem neuen FoodFirst, dem FIAN-Mitgliedermagazin. Er wurde von Pedro Cona Caniullan und Sabine Schielmann, Institut für Ökologie und Aktionsethnologie(Infoe) geschrieben. Sie sind neugierig auf weitere spannende Artikel geworden? Das FoodFirst-Magazin können Sie hier abonnieren. Oder sichern Sie sich ein kostenloses Probeexemplar in gedruckter Form. Schreiben Sie einfach eine E-Mail an info@fian.de.
Indigene Völker, als deren Angehörige sich weltweit etwa 390 Millionen Menschen identifizieren, sind mit ihrem Wissen und ihren traditionellen Praktiken Vorreiter*innen und wichtige Partner für die Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung. Für den Erhalt und die Weitergabe ihres Wissens und ihrer Innovationen müssen ihre Rechte, insbesondere auf Land, Ressourcen, selbstbestimmte Entwicklung und Bildung, sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe an Entwicklungsprozessen gewährleistet werden.
Häufig werden die Wissenssysteme indigener Völker als primitiv und entwicklungshemmend diskriminiert. Indigene Menschen haben außerdem in vielen Ländern keinen gleichberechtigten Zugang zu hoch
wertiger Bildung und zählen damit zu den am meisten von Bildung ausgeschlossenen Gruppen. Wie Joan Carling von der Indigenen major group im Prozess zur Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen anmerkte, leben 70 Prozent der Indigenen Bevölkerung Asiens und Afrikas in Regionen mit stark eingeschränktem Bildungszugang.[1]
Sprachliche Vielfalt eng verknüpft mit biologischer Vielfalt
Im Rahmen der staatlichen formellen Bildung gibt es wenig Respekt und Platz für einen Unterricht in indigenen Sprachen oder gar der Vermittlung indigenen Wissens, unter Einbezug ihrer traditionellen Wissensträger*innen.[2] Dabei repräsentieren Indigene weltweit zwischen vier- und fünftausend der gut 6.800 gesprochenen Sprachen. Sprachenvielfalt ist der primäre Indikator für kulturelle Vielfalt, die wiederum eng mit der biologischen Vielfalt verbunden ist. Denn ihre detaillierten Kenntnisse über lokale Ökosysteme und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen tragen zum Erhalt und Schutz dieser Umgebungen bei. Dies macht Indigene zu den Vertreter*innen kultureller Vielfalt schlechthin, die es nicht nur im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu fördern gilt.
Ein Schlüssel zu qualitativ hochwertiger Bildung für indigene Gemeinschaften ist die jeweilige Muttersprache, die indigenes Wissen, Traditionen und kulturelle Werte transportiert. Letzteres erfuhr durch die Covid-Pandemie besonders gravierende Verluste, da viele indigene Wissensträger*innen und Älteste an Covid verstarben und ihre Rolle als Übermittelnde von Wissen und Traditionen nicht mehr erfüllen können.
Ein erfolgreiches Beispiel für muttersprachlichen Unterricht ist das Programm Mother Tongue Based Multilingual Education in Thailand. Jüngere Kinder erlernen hier zunächst die indigene Muttersprache anhand von Materialien, die das jeweilige kulturelle Wissen einbeziehen. Thai-Begriffe und Konzepte fließen nach und nach ein, bis schließlich in der Oberstufe die Hauptfächer in Thai und die Muttersprache als Fach unterrichtet werden. Traditionelles und zeitgenössisches Wissen werden somit verbunden und ergänzen sich gegenseitig.
Solarenergie für digitalen Wandel
Die Einführung erneuerbarer Technologien im Dienst der ländlichen Bildung stellt eine ständige und notwendige Herausforderung dar. In der Schule Escuela Fundo Maquehue im Süden Chiles wird in Kooperation mit einer lokalen NRO hochwertige Bildung mit einem innovativen Solarenergieprojekt verbunden. Die Schüler*innen hatten während der Pandemie weder Zugang noch Möglichkeiten zur Teilnahme am Unterricht. Hohe Energiekosten und schlechte Internetverbindungen machten Fernunterricht unmöglich. Dies bedeutete für die überwiegend Indigenen Mapuche eine Verschärfung ihrer ohnehin benachteiligten Bildungssituation.
Die Initiative ermöglicht es nun der Mapuche-Gemeinschaft, sich am digitalen Wandel zu beteiligen, indem sie die Technologie nach ihren eigenen Bedürfnissen nutzt. Die Schule bekommt durch den Sonnenstrom nicht nur einen besseren Zugang zu Informationen und Kommunikationstechnologien. Der Einsatz digitaler Werkzeuge ermöglicht auch innovative Projekte wie virtuelle Konferenzen oder Gewächshäuser, in denen lokaltypische Nahrung angebaut wird. Durch die Beteiligung der Eltern und Lehrer*innen wird so Indigenes Wissen weiterentwickelt und die Resilienz ganzer Gemeinschaften gestärkt.[3]
[1] www.infoe.de/blog_post/kulturell-diverse-botschaften-zu-bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-in-zeiten-der-pandemie
[2] ILO: Indigenous and tribal peoples‘ rights in practice: a guide to ILO Convention No.169. Geneva, 2009
[3] https://www.infoe.de/blog_post/vielfaeltige-und-nachhaltige-ernte-an-der-schule-fundo-maquehue-im-sueden-chiles/