Seit September 2014 ist FIAN Deutschland Teil des Bündnisses für ein menschenwürdiges Existenzminimum in Deutschland. Das Bündnis, das im Jahr 2010 ins Leben gerufen wurde, setzt sich aus zahlreichen kleineren und größeren Organisationen zusammen. Wohlfahrtsverbände wie das Diakonische Werk und die AWO, aber auch Organisationen wie Attac und Pro Asyl sowie Selbsthilfeinitiativen wie die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) haben sich für das gemeinsame Anliegen zusammengeschlossen. Seit Jahren setzt sich FIAN Deutschland dafür ein, dass das Thema Ernährungssicherheit und damit die volle Gewährleistung des Rechts auf Nahrung auch hierzulande größere Priorität zugesprochen bekommt. Die Arbeit im Bündnis ist ein wichtiger Baustein um dieses Ziel zu erreichen.
Am 25. November trafen sich Vertreter und Vertreterinnen aus den zeichnenden Verbänden und Mitgliedsorganisationen sowie Interessierte und Erwerbslose zu einer Tagung in Berlin. Die Veranstaltung fand beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes statt. Die Verbindung von Armut und Menschenrechten wurde bei der Tagung gleich zu Beginn von Beate Rudolf, der Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, nochmals herausgestellt. Die Frage nach einer angemessenen Höhe der Regelsätze des Sozialgesetzbuches II (sog. Hartz IV) hat ganz klar auch ein menschenrechtliche Dimension. Diese gilt es noch deutlicher als es derzeit geschieht hervorzuheben. Im Anschluss skizzierte dann Rudolf Martens vom Paritätischen Gesamtverband noch mal, wie es zu den Hartz-Reformen kam und welche Konsequenzen dies für viele Menschen hatte und immer noch hat. Die Position des Paritätischen Gesamtverbands wurde dabei klar formuliert: Die Existenzminimum muss angehoben werden. In diesem Punkt waren sich alle beteiligten Organisationen ohne Wenn und Aber einig.
Am Nachmittag wurde es dann praxisnäher. Betroffene und Ehrenamtliche aus dem Kirchenkreis Leine-Solling in Niedersachsen berichteten eindrucksvoll, wie sie mit sozialarbeiterischer Unterstützung Veränderungen in ihrer Kommune erkämpfen konnten. Konkret konnte erreicht werden, dass der Zuschlag für das Schulessen von dem Antragsverfahren des Bildungs- und Teilhabepakets, und damit von der Zuständigkeit des Jobcenters, abgekoppelt wurde. Dies stellt für viele armutsbetroffene Familien eine wichtige Entlastung dar. In der abschließenden Diskussion wurde dann deutlich, dass es auch innerhalb des Bündnisses nicht nur Konsens gibt. Dies betrifft zum einen die Höhe der Regelsätze – einige fordern mindestens eine Erhöhung auf 500,- Euro, andere halten moderatere Steigerungen für angemessen – und zum anderen um die Sanktionspraxis. An diesem Punkt schließt sich FIAN Deutschland den Stimmen an, die eine generelle Abschaffung der Sanktionen fordern. Ein grundlegendes Menschenrecht, wie das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard inklusive dem Recht auf Nahrung, darf nicht als Druckmittel zur Disziplinierung von Erwerbslosen eingesetzt werden.
Als handfestes Ergebnis der Veranstaltung wurde die sogenannte Berliner Erklärung für ein menschenwürdiges Existenzminimum verabschiedet. Zu den Forderungen der Erklärung gehören neben einer Neuberechnung der Regelsätze auch die Sicherstellung existenzsichernder Arbeitsbedingungen, steuerliche Grundfreibeträge, armutsfeste Sozialleistungen allgemein und eine verbesserte soziale Infrastruktur. Das Dokument stellt außerdem heraus, dass soziale, ökologische und ökonomische Themen im politischen Kampf für eine Gesellschaft ohne Armut und Ausgrenzung unbedingt zusammengedacht und ganzheitlich bearbeitet werden müssen. FIAN Deutschland hat sich der Berliner Erklärung ebenfalls angeschlossen und sich bei der Tagung in Berlin mit eingebracht. Es bleibt zu hoffen, dass das übergelagerte Ziel des Bündnisses, erneut eine breite gesellschaftliche Debatte über die Existenzsicherung in Deutschland zu entfachen, erreicht wird. FIAN Deutschland wird sich weiter im Bündnis engagieren, auch mit dem Ziel, dass die Menschenrechte in dieser wichtigen Debatte nicht vergessen werden.