Diese Meldung ist eine Zusammenfassung eines Artikels, der am 13.02.2024 im Journal „Rural 21 – The International Journal for Rural Development “ veröffentlicht und von Stig Tanzmann, Brot für die Welt, und Roman Herre, FIAN Deutschland, geschrieben wurde. Der komplette Artikel ist hier aufrufbar.
Im Januar 2024 fand in Berlin das „Global Forum for Food and Agriculture“ (GFFA) statt, bei dem sich Agrarminister*innen aus verschiedenen Ländern trafen. Zum Abschluss des Treffens wurde ein Communiqué von den teilnehmenden Minister*innen verabschiedet, in dem neue Standards bezüglich des Rechtes auf Nahrung gesetzt werden und das einen starken Impuls für die internationale Debatte liefert. Dieser Impuls muss nun weitergetragen werden zu der UN Food and Agriculture Organization (FAO) und dem Committee on World Food Security (CFS).
Mitglieder des Forums Umwelt und Entwicklung haben dabei erneut wichtigen Input für das GFFA geliefert. Eine Expert*innenrunde diskutierte das Thema Ungleichheit als Ursache für Hunger und Unterernährung. Hintergrund war dabei auch der wegweisende Bericht zu Ungleichheiten des CFS „Reducing inequalities for food security and nutrition”. Das Panel zeigte vor allem, dass die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung immer auch die Überwindung von Ungleichheit bedeutet – Ungleichheit zwischen denjenigen, die Hunger leiden, und denjenigen, die nicht hungern, aber auch auf den verschiedensten Ebenen wie Geschlechtergleichheit, Zugang zu Land, Zugang zu Gesundheitssystemen und Bildung und Teilhabe an Entscheidungsprozessen. In einer Welt, in der die stark wachsende Ungleichheit zunehmend einen Keil zwischen die Menschen treibt und Konflikte schafft, ist der Einsatz für das Recht auf Nahrung wichtiger denn je.
FIAN Deutschland übergab zusammen mit AbL, Brot für die Welt, Misereor und Vertreterinnen internationaler Kleinbauern- und Farmarbeiter*innenorganisationen auch eine Protestnote an Landwirtschaftsminister Özdemir und die tagenden Agrarminister*innen. In dieser wird vor allem gefordert, entschlossen für das Menschenrecht auf Nahrung und die Rechte von Bäuerinnen und Bauern weltweit handeln. Das 20-jährige Jubiläum der Leitlinien zum Recht auf Nahrung, muss für einen echten Umsetzungsschub genutzt werden, Reaktionen auf die Welternährungskrise müssen sich endlich auf die Produzent*innen fokussieren, die sich in der agrarökologischen Transformation befinden und das Problem der enormen Machtkonzentration und Ungleichheit in den Ernährungssystemen global angepackt werden.
Das Recht auf Nahrung bedeutet sich auf die Stärkung von vulnerablen Gruppen zu fokussieren
Das finale Communiqué des Treffens zeigt klar, dass eines der wichtigsten anzugehenden Themen die Stärkung von vulnerablen Gruppen ist. Hier stellt das Communiqué das Recht auf Nahrung in den Vordergrund. Das Recht auf Nahrung ist nicht mehr nur ein Konzept, das sich neben anderen entwickelt, sondern ist der zentrale Ansatz für Überlegungen und Bemühungen rund um Maßnahmen zur Beseitigung des Hungers und zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit. Diese neue Ernsthaftigkeit spiegelt sich auch in einem eigenen Referat für das Recht auf Nahrung im BMEL wieder, der Einbindung der „La Via Campesina“-Jugend in das GFFA, einer neuen Kooperation mit Brasilien und dem brasilianischen Ernährungsrat (dem weltweit inklusivsten Gremium zur Einbindung vulnerabler Gruppen in die politische Entscheidungsfindung auf nationaler Ebene) und einer entschlossenen Stärkung des CFS, insbesondere auch durch die neue CFS-Vorsitzende Nosipho Nausca-Jean Jezile.
Das BMEL hat damit einen starken Impuls gegeben, 20 Jahre Leitlinien für das Recht auf Nahrung nicht nur zu feiern, sondern den Anlass auch zu nutzen, um verstärkt zu handeln. Und das ist angesichts von immer noch knapp 800 Millionen Hungernden und weiteren 2,4 Milliarden unterernährten Menschen auch dringend notwendig. Das Recht auf Nahrung darf nicht das Menschenrecht bleiben, das am meisten verletzt wird.
In diesem Jubiläumsjahr darf es keine Debatten über Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe geben. Vielmehr muss der Fokus auf der Aufstockung der Hilfsgelder und einer besseren Verzahnung dieser Bereiche mit dem Recht auf Nahrung und den CFS-Resolutionen liegen. Hier sind das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefordert, auf der geschaffenen Basis tätig zu werden und Mittel bereitzustellen. Dies gilt gerade auch gegenüber dem Welternährungsprogramm und dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, die in ihre Zuständigkeit fallen. Insbesondere vulnerable Gruppen haben oft nur einen indirekten und unzureichenden Zugang zu Finanzierung. Diesen Gruppen muss ein größeres Mitspracherecht in Fragen des Zugangs zu und der Vergabe von Finanzmitteln zugesprochen werden, wobei das BMZ hier eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Aber auch andere Ministerien, darunter das Bundeskanzleramt, könnten im Jahr 2024 einen größeren Beitrag leisten. In diesem Jahr finden Konferenzen zu allen drei Rio-Konventionen statt, diese befassen sich mit Biodiversität, Klima und Wüstenbildung. Alle drei leisten einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung des Rechts auf Nahrung. In diesem Sinne sollten im Jubiläumsjahr der Freiwilligen Leitlinien für das Recht auf Nahrung diese Leitlinien zentral in den Konventionen verankert werden und die Zusammenarbeit mit dem CFS systematisch gestärkt werden. Kohärenz im Sinne des Rechts auf Nahrung ist dabei das entscheidende Schlagwort.
Die nächste Gelegenheit diese Kohärenz in konkretem Recht niederzuschreiben, besteht schon mit der Reform EU Saatgutsverordnung, die ansteht. Eine Verankerung der Rechte von Kleinbäuer*innen würde ein wichtiges Signal senden.
Der Protestbrief und mehr Informationen zur Übergabe sind hier aufrufbar.