Gertrud Falk ist Referentin bei der Menschenrechtsorganisation FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk (FIAN) Deutschland. Sie plädiert dafür, dass die Staatengemeinschaft die völkerrechtlich bindenden Rechte auf Wasser und Sanitärversorgung endlich umsetzt.
Vom 22. bis 24. März dieses Jahres findet auf Beschluss der UN-Generalversammlung die erste UN-Wasserkonferenz statt. Auf ihr soll besprochen und bewertet werden, inwieweit sich die internationale Staatengemeinschaft ihrer Zielsetzung angenähert hat, dass im Jahr 2030 Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle Menschen gewährleistet sind. So lautet das Ziel 6 der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) der im Jahr 2015 beschlossenen Agenda für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030). Ziel der Konferenz zur Halbzeit des Agenda-Zeitraums ist die Verabschiedung einer Wasseraktionsagenda, deren Entwurf im Wesentlichen auf freiwilliges Engagement setzt.
Mehr Engagement, um dieses Ziel zu erreichen, ist dringend nötig. Denn aktuell haben 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 4,2 Milliarden Menschen – fast die Hälfte der Menschheit – haben keinen ausreichenden Zugang zu hygienischen Sanitäranlagen. Die meisten von ihnen leben in ländlichen Regionen und gehören zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen. Am stärksten betroffen sind Frauen, die in fast allen Gesellschaften dafür zuständig sind, ihre Familien mit Wasser zu versorgen. Zwar hat sich der Anteil der Menschen, die Zugang zu sicherem Trinkwasser und hygienischen Sanitäranlagen haben, in den Jahren von 2007 bis 2020 leicht gesteigert. Wenn diese Geschwindigkeit jedoch nicht schnell und erheblich beschleunigt wird, wird das Ziel 6 der SDGs nicht erreicht werden.
Die Datenlage über die Qualität von Süßwasserressourcen ist insgesamt dürftig. Für die jüngste weltweite Erhebung durch die Vereinten Nationen im Jahr 2020 haben nur 96 Staaten ihre Messungen zur Verfügung gestellt. Demnach befinden sich in diesen Ländern nur rund 60 Prozent der Oberflächengewässer und des Grundwassers in einem guten Zustand. Die übrigen sind verschmutzt beziehungsweise werden übernutzt, sodass sie sich natürlicherweise nicht wieder ausreichend auffüllen.
Verursacher sind vor allem die industrielle Landwirtschaft, die Industrie, der Bergbau und die Energiegewinnung, verstärkt durch die Klimakrise. Die Ausbeutung der Wasserressourcen geschieht vor allem für die Interessen des Globalen Nordens, der durch eine weltweite Produktion für den eigenen Konsum der Bevölkerung des Globalen Südens im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgräbt. Auch werden ausländische Unternehmen von Regierungen bei der Nutzung der Wasserressourcen gegenüber der eigenen Bevölkerung häufig begünstigt. Gestützt wird dies durch postkoloniale Abhängigkeiten, Freihandelsabkommen und Privatisierung von Wasserressourcen.
Die Regierungen übergehen dabei, dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser und hygienischer Sanitärversorgung im Jahr 2010 von der UN-Generalversammlung als Menschenrecht anerkannt worden ist. Völkerrechtlich bindend sind sie Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights – ICESCR), der bisher von 171 Staaten ratifiziert worden ist. Staaten sind danach verpflichtet, die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung bei Maßnahmen zu respektieren, sie gegenüber Eingriffen von Dritten zu schützen und zu gewährleisten, wenn Menschen diese Rechte noch nicht wahrnehmen können.
Doch diesen bestehenden Normen und Pflichten ist die Staatengemeinschaft mit der Agenda 2030 auf den Weg der Freiwilligkeit ausgewichen. Damit ist sie ihrem Ziel offenbar nicht viel nähergekommen. Dass die UN-Wasserkonferenz nun erneut auf Freiwilligkeit setzt, ist vor diesem Hintergrund unverständlich.
In: VEREINTE NATIONEN Heft 1/2023, Seite 21
Autorin / Autor: Gertrud Falk
Ort: Berlin