Die Welternährungsorganisation FAO hat heute die aktuellen Welthungerzahlen veröffentlicht. Demnach leiden rund 733 Millionen Menschen unter chronischem Hunger. 2,33 Milliarden Menschen – fast 30 Prozent der Weltbevölkerung – befinden sich in mittlerer bis schwerer Ernährungsunsicherheit. Mehr als 2,8 Milliarden Personen können sich keine gesunde Ernährung leisten.
Philipp Mimkes, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland, fordert eine Kehrtwende in der Welternährungspolitik. „Schon lange produzieren wir mehr als genug Nahrung, um alle satt zu machen. Die größten Probleme liegen in der grassierenden Armut, der Verschuldung vieler Staaten sowie der massiven Ungleichheit beim Zugang zu Ackerflächen, Wasser und Saatgut – also den Grundvoraussetzungen für den Anbau von Nahrungsmitteln. Um den Hunger zu bekämpfen, sind Landreformen und der Erlass von Schulden am wichtigsten. Kurzfristig sind auch Bargeldtransfers sehr effektiv“.
Global werden immer mehr Ressourcen von einer kleinen Zahl von Agrarkonzernen und Investoren beansprucht. Die Erträge der riesigen Monokulturen landen jedoch mehrheitlich in Futtertrögen und Treibstofftanks. FIAN kritisiert, dass die FAO bei der Hungerbekämpfung dennoch auf „innovative Anreize“ für die Privatwirtschaft setzt. Die Ungleichheiten beim Zugang zu Ressourcen könnten sich dadurch weiter erhöhen. „Unser Ernährungssystem drückt die am stärksten von Hunger betroffenen Menschen immer weiter an den Rand. Dabei sind es genau die am meisten diskriminierten Gruppen – Frauen, kleinbäuerliche Gemeinden, Indigene, Fischerfamilien –, die nach wie vor die Mehrheit der Weltbevölkerung ernähren, und nicht kapitalstarke Agrarkonzerne“, so Mimkes weiter.
2024 markiert das 20. Jubiläum der Verabschiedung der FAO-Leitlinien zur Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung. Die Leitlinien waren das erste UN-Dokument, das unter aktiver Beteiligung marginalisierter Gruppen verhandelt wurde. Es schreibt einen menschenrechtsbasierten Ansatz bei der Ernährungssicherung fest. Dazu Jan Dreier, FIAN-Referent für das Recht auf Nahrung: „Mit den Leitlinien zum Recht auf Nahrung hat die FAO vor 20 Jahren einen Meilenstein für soziale Teilhabe in der UN gesetzt. Die Leitlinien waren das Grundgerüst für viele weitere völkerrechtliche Instrumente zum Recht auf Nahrung, die seitdem durch das Engagement sozialer Bewegungen entstanden sind. Mit diesem menschenrechtlichen Rahmenwerk könnten wir so viel erreichen! Umso bedauerlicher, dass der Welternährungsbericht auch in diesem geschichtsträchtigen Jahr weiter auf die Steigerung der globalen Anbaumengen durch private Investitionen fokussiert, statt soziale Teilhabe durch öffentliche Förderung zu stärken, um damit das tieferliegende Problem der Ungleichheit anzugehen.“
Brasilien ist ein Beispiel dafür, wie die Anwendung eines Menschenrechtsansatzes den Hunger in die Schranken weist. Allein von 2022 auf 2023 konnte die Zahl der Menschen in Ernährungsunsicherheit um 13 Millionen verringert werden. Im Kern des brasilianischen Modells steht der nationale Ernährungsrat CONSEA – ein komplexes System sozialer Teilhabe, das der Zivilgesellschaft ermöglicht, an politischen Entscheidungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene mitzuwirken. Flankiert von weiteren menschenrechtlichen Mechanismen wie einer staatlichen sozialen Sicherung, der Förderung der Agrarökologie sowie Schulspeisungsprogrammen ist Brasilien auf einem guten Weg, von der Hungerkarte zu verschwinden.
Wie mangelhaft eine mengenorientierte Hungerbekämpfung ist, führt das Beispiel der Allianz für eine grüne Revolution in Afrika (AGRA) vor Augen: Innerhalb von 15 Jahren sollte das von der Gates- und der Rockefeller Stiftung sowie von Staaten wie den USA und Deutschland großzügig finanzierte Projekt die Ernährungsunsicherheit in 20 afrikanischen Ländern halbieren. Der gesteigerte Vertrieb und Einsatz von kommerziellem Hochertragssaatgut, synthetischen Düngemitteln und Agrargiften sollte die afrikanische Landwirtschaft „modernisieren“. Doch anstelle den Hunger zu reduzieren, profitierten nur die wohlhabendsten Bäuer*innen. In den 13 Schwerpunktländern erhöhte sich die Zahl der Menschen, die unter extremem Hunger leiden, um 30 Prozent.
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